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So politisch wie nie zuvor – Die hohen Erwartungen an die Hannover Messe

Wirtschaftskorrespondent
Am Sonntagabend wird die Hannover Messe 2024 eröffnet. Partnerland ist Norwegen Am Sonntagabend wird die Hannover Messe 2024 eröffnet. Partnerland ist Norwegen
Am Sonntagabend wird die Hannover Messe 2024 eröffnet. Partnerland ist Norwegen
Quelle: dpa/Julian Stratenschulte
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Geostrategische Spannungen, Klimazwänge, anhaltende Konjunktursorgen: Die Industrie steht unter Druck wie selten zuvor. Die Fachmesse in Hannover wird diesmal zum Treffpunkt, auf dem die Zukunft des Standortes mitverhandelt wird. Dem Geschäftsmodell Messe tut das nach schwierigen Jahren gut.

Jochen Köckler widerspricht vehement. „Norwegen ist kein Notnagel“, betont der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Messe AG über die Rolle der Skandinavier als diesjähriges Partnerland der weltgrößten Industrieschau Hannover Messe, die am Sonntagabend von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dem norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eröffnet wird. Dass ursprünglich andere Länder angedacht und angefragt waren, ficht den Messe-Chef nicht an.

Großbritannien soll anfangs dazu gehört haben und am Ende schließlich Finnland. Erst im November und damit kein halbes Jahr vor Messestart kam dann die offizielle Ernennung Norwegens. „Trotzdem passt diese Kooperation perfekt“, sagt Köckler im WELT-Gespräch und verweist auf die zuletzt noch mal deutlich intensivierten Beziehungen zwischen beiden Ländern, insbesondere bei den Themen Energie und Klimaschutz.

Jedenfalls haben sich deutsche Wirtschaftsdelegationen in den vergangenen Monaten im hohen Norden die Klinke in die Hand gegeben. „Norwegen ist ein Möglichmacher für die grüne Transformation der Wirtschaft in Deutschland“, begründet Köckler.

Tatsächlich ist das Königreich als Lieferant eingeplant, sowohl von Öl und Gas als auch von Strom aus erneuerbaren Energien und perspektivisch von grünem Wasserstoff. Erst zu Jahresbeginn haben der norwegische Versorger Equinor und der deutsche Energiekonzern RWE daher im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und seinem norwegischen Amtskollegen Jan Christian Vestre eine strategische Partnerschaft geschlossen, die unter anderem den Bau einer Wasserstoffpipeline bis 2030 vorsieht.

Gleichzeitig steht Norwegen bereit als Standort für sogenanntes Carbon Capture and Storage, kurz CCS, also für das Speichern von CO₂ unter dem Meeresboden in der Nordsee. Im Gegenzug erhofft sich das Land umfangreiche Technologielieferungen aus Deutschland, um die Dekarbonisierung etwa von Industrie und Verkehr voranzutreiben, aber auch den Ausbau der erneuerbaren Energien, konkret im Bereich Windkraft.

Bis zu 150.000 Besucher in Hannover erwartet

Auf der Messe in Hannover werden sich viele Teilnehmer der Delegationsreisen wieder über den Weg laufen. Aber nicht nur die. Erwartet werden in der niedersächsischen Landeshauptstadt zwischen 130.000 und 150.000 Besucher aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Für die Politik ist dabei von einer Rekordbeteiligung die Rede. Denn angesichts geostrategischer Spannungen, sich verschärfender Klimazwänge sowie anhaltender Konjunktursorgen und Standortdebatten steht die Zukunft der Industrie derzeit vielerorts im Mittelpunkt.

Und nicht nur Messe-Chef Köckler hat dementsprechend hohe Erwartungen. „Innovative Technologien und eine klare wirtschaftspolitische Agenda – darauf kommt es an, wenn von Hannover Signale des Aufbruchs und der Zuversicht ausgehen sollen“, fordert der Veranstalter im Vorfeld der Messe, die unter dem Motto „Industrial Transformation – Energizing a Sustainable Industry“ steht, also übersetzt „Industrielle Transformation – Energie für eine nachhaltige Industrie“.

Für den Technologie-Teil sind die rund 4000 angemeldeten Aussteller zuständig. Im Mittelpunkt stehen dabei Themen wie Automatisierung, Digitalisierung und Elektrifizierung, dazu Wasserstoff und eine klimaschonende Produktion – vor allem aber künstliche Intelligenz (KI). „KI ist der Schlüssel zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Industrie“, sagt Köckler, demzufolge erste KI-Anwendungen auf der Messe auch bestellbar sein werden.

Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG
Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG
Quelle: dpa/Julian Stratenschulte

Dazu zählten Industrieroboter, die sich per Sprache steuern lassen, Maschinen, die Fehler automatisch erkennen, oder Systeme, die durch vorausschauende Wartung Ausfallzeiten reduzieren. „Die Geschwindigkeit, mit der KI-Lösungen ihren Weg in die Industrie finden, ist atemberaubend“, sagt Köckler mit Blick auf die von den Ausstellern angekündigten Neuheiten und Trends.

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Wobei Trommeln zu seinem Geschäft gehört. Denn der Manager ist darauf angewiesen, dass die Hannover Messe ein Erfolg wird. Schließlich ist die vor 77 Jahren als „Export-Messe 1947 Hannover“ gegründet Schau die betriebswirtschaftlich mit Abstand wichtigste Veranstaltung für die Deutsche Messe AG. Und die ersten beiden Ausgaben nach der Corona-Zwangspause waren in puncto Aussteller- und Besucherbeteiligung noch vergleichsweise weit entfernt vom Niveau vor der Pandemie. Zum Vergleich: Kamen 2019 noch 215.000 Messegäste nach Hannover, waren es im vergangenen Jahr lediglich 130.000.

Deutsche Messe AG fuhr dringend benötigten Gewinn ein

Dennoch war 2023 ein gutes Jahr für die Deutsche Messe AG, deren Ausstellungsgelände zu den größten weltweit gehört. Auf rund 350 Millionen Euro summierte sich der Umsatz der öffentlich-rechtlichen Messegesellschaft, die jeweils zur Hälfte dem Land Niedersachsen und der Stadt Hannover gehört. Ein Jahr zuvor lagen die Erlöse mit 212 Millionen Euro noch deutlich unter diesem Wert.

Gleichzeitig gab es Köckler zufolge einen Gewinn in Höhe von rund 30 Millionen Euro. Der allerdings war auch dringend nötig nach zuvor einigen Jahren mit teils erheblichen Verlusten infolge der Corona-Zeit, in der Messen nach behördlicher Anordnung zeitweise gar nicht stattfinden durften. „Da ging es bei vielen in der Branche um die Existenz“, sagt Köckler offen. Auch in Hannover.

Um überleben zu können, musste die Deutsche Messe AG Überbrückungskredite in Höhe von insgesamt 90 Millionen Euro aufnehmen, vergeben von der NordLB und verbürgt durch die beiden Gesellschafter. Bedingung dafür war ein massives Sparprogramm, im Zuge dessen verschiedene Dienstleistungstöchter geschlossen und deren Aufgaben an Fremdfirmen ausgelagert werden mussten. Zudem läuft noch bis 2027 ein Stellenabbau mit einer Zielmarke von 525 Mitarbeitern, kommend von 720 Beschäftigten vor Corona.

Die schwerste Zeit sieht Köckler nun aber überwunden. Für ihn sind die Ergebnisse zudem ein Beleg, dass das Geschäftsmodell Messe grundsätzlich weiter funktioniert und trotz Pandemie-Schub auch von der Digitalisierung nicht infrage gestellt wird. „Der Nutzen von persönlichen Begegnungen wurde 2023 bestätigt“, sagt der seit Mitte 2017 amtierende Vorstandschef. „Messen sind und bleiben die zentralen Geschäfts-, Inspirations- und Wissensplattformen ihrer jeweiligen Branche.“

Zur Wahrheit gehört indes auch, dass genügend Unternehmen Messen mittlerweile hinterfragen und fernbleiben. Bei der Hannover Messe zum Beispiel gibt es zwar einige Aussteller, die von der ersten Stunde an dabei sind. Gleichzeitig fehlen in diesem Jahr aber auch Firmen, die sonst wie selbstverständlich an der Industrieschau teilgenommen haben, darunter die internationalen Großkonzerne ABB und Omron oder die deutschen Mittelständler Weidmüller und Lenze.

„Selbstverständlichkeiten gibt es nicht mehr“, weiß auch Köckler. Man müsse um jeden Kunden hart kämpfen. „Denn es wird angesichts von Krise und Inflation sehr genau kalkuliert, was man sich leisten kann und will.“ Er warne daher vor der Einstellung „höher, schneller, weiter, alles gut“. Seine Prognose: „Wir werden in den kommenden Jahren eine Konsolidierung sehen in der Messewelt.“

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Um gegen mögliche Rückschläge gewappnet zu sein, legen die Hannoveraner nun einen noch größeren Fokus auf das Neugeschäft. Dazu haben die Niedersachsen den neuen Geschäftsbereich „New&Global Business Development“ gegründet. Dort sollen Themen sowohl für das Inland als auch für Messen im Ausland entwickelt werden. Erste Beispiele sind Köckler zufolge Veranstaltungen wie die auf Norddeutschland konzentrierte Immobilienmesse Real Estate Arena, die PS-Days für die Autotuner oder die Pflegemesse Pro Care.

Das Veranstaltungskonzept Digital Health dagegen habe nicht funktioniert, das werde daher wieder aufgegeben. „Aber Hauptsache man hat den Mut, etwas auszuprobieren.“ An die Hannover Messe 2025 denkt Köckler aber auch schon. Und da steht das Partnerland längst fest: Kanada. Im April 2023 wurden die entsprechenden Verträge unterzeichnet, weit vor der Wahl für Norwegen in diesem Jahr.

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