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Wirtschaft Versorgungssicherheit

RWE schaltet kurzfristig fünf weitere Kohlekraftwerke ab

Wirtschaftsredakteur
RWE bekräftigt Prognose für 2024

RWE rechnet wegen sinkender Strompreise in diesem Jahr mit weniger Gewinn als 2023. Die Prognose liege am unteren Ende einer Spanne von 5,2 bis 5,8 Milliarden Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, teilte der Konzern mit. Darüber spricht Dietmar Deffner mit dem Marktexperten Andreas Lipkow.

Quelle: WELT TV

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Der Bundesrechnungshof hält die Stromversorgung mittelfristig nicht mehr für sicher. Doch Deutschlands größter Kraftwerksbetreiber RWE schaltet noch in diesem Monat erhebliche Kapazitäten ab. Eine erneute Prüfung der Netz-Stabilität plant die Bundesregierung erst im Jahr 2026.

Unberührt von den Warnungen des Bundesrechnungshofes hält Deutschlands größter Kraftwerksbetreiber am Kohleausstieg fest. Der Vorstandsvorsitzende der RWE, Markus Krebber, kündigte am Stammsitz in Essen am Donnerstag die kurzfristige Stilllegung von fünf großen Kohlekraftwerken an. Kurz darauf gingen die Alarmsirenen an.

Der Alarm war ein Zufall. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte einen „Warntag“ ausgerufen. Die Katastrophenschutz-Sirenen und Handys heulten allerdings just zu der Zeit auf, als Krebber vor der internationalen Presse das Jahresergebnis 2023 präsentierte. Irgendwie passte das zu den Plänen des Konzerns.

In der vergangenen Woche warnte der Bundesrechnungshof in einem Sonderbericht davor, dass die Stromversorgung Deutschlands mittelfristig nicht mehr sicher sei. Es gebe absehbar zu wenig Ökostrom, zu wenig Reservekraftwerke, zu wenig Netze. Anderslautende Beteuerungen von Bundesregierung und Bundesnetzagentur bezeichnete der Präsident der obersten Bundesbehörde, Kay Scheller, als „wirklichkeitsfremd“.

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Trotzdem gab RWE-Chef Krebber bekannt, noch in diesem Jahr Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 2,5 Gigawatt vom Netz nehmen zu wollen. Der erste, größere Schlag erfolgt bereits in diesem Monat: „In gut zwei Wochen werden wir im Rheinischen Revier die drei Braunkohleblöcke endgültig stilllegen, die von der Bundesregierung in der Energiekrise aus der Sicherheitsbereitschaft aktiviert worden waren“, so Krebber. „Planmäßig schalten wir zudem die beiden 600-Megawatt-Kohle-Blöcke in Neurath ab, deren Betrieb per Gesetz verlängert worden war.“

Der Wegfall der steuerbaren, weil vom Wetter unabhängigen Stromerzeuger macht es für Netzbetreiber noch schwieriger, das Stromnetz gegen das ständig schwankende Aufkommen von Solar- und Windstrom stabil zu halten.

Für die Verbraucher gehen die Kosten der stabilisierenden Eingriffe ins Stromnetz schon jetzt in die Milliarden: Im Jahr 2022 mussten sie über ihre Stromrechnung 4,2 Milliarden Euro Kompensationszahlungen leisten, weil die Netzbetreiber zahlreiche Kraftwerke je nach Wetterlaune hoch- oder runterregeln mussten. Die Kosten des vergangenen Jahres sind bisher nicht bekannt.

Investoren fanden sich bislang nicht

Ohne steuerbare Kraftwerke würde das Stromnetz zusammenbrechen. Die Bundesregierung plant deshalb mit dem Neubau von zunächst rund 20 neuen, großen Gaskraftwerken bis 2030. Nötig wären eigentlich sogar 40. Die sollen dann statt der Kohleblöcke einspringen. Doch Investoren fanden sich bislang nicht: Die Bundesregierung hat ihre „Kraftwerksstrategie“, nach der Fördergelder versteigert werden sollen, noch immer nicht vorgelegt.

„Die ersten Ausschreibungen müssen spätestens in diesem Jahr erfolgt sein, damit die Kraftwerke noch in dieser Dekade ihren Betrieb aufnehmen können“, drängte RWE-Chef Krebber in Essen: „Beim Ausschreibungsdesign wird es wichtig sein sicherzustellen, dass Auktionsgewinner auch wirklich bauen.“

Denn dass Zuschüsse aus Steuermitteln ausreichen, den Bau von 20 bis 40 wasserstofffähigen Gaskraftwerken anzureizen, ist keinesfalls sicher. Wegen zahlreicher Staatseingriffe in den Strommarkt in den vergangenen Jahrzehnten sind Investoren von den Standortbedingungen in Deutschland nicht eben begeistert.

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Selbst RWE hält sich mit Versprechen zurück: „Wir können uns vorstellen, bis 2030 Kraftwerke mit 3 Gigawatt Kapazität zu errichten“, wiederholte Krebber zwar bei der Bilanzvorlage. Doch angesichts des Bedarfs von 20 bis 40 Gigawatt bis 2030 wäre dieser Beitrag des größten deutschen Kraftwerksbetreibers in Deutschland eher gering und entspräche nicht seinem aktuellen Marktanteil.

Ein weiteres Braunkohle-Kraftwerk der RWE mit 300 Megawatt Leistung soll gemäß dem gesetzlichen Ausstiegsfahrplan noch vor Ende des Jahres vom Netz gehen. Ab dann wird RWE nur noch über seine drei „Braunkohle-Kraftwerke mit optimierter Anlagentechnik“, kurz BoA verfügen.

Steinkohle-Kraftwerke betreibt RWE heute bereits gar nicht mehr. Nur noch die Leag in der Lausitz würde dann noch Braunkohlestrom produzieren – bis 2038 nach jetzigem Planungsstand.

Im Jahr 2026 will sich die Bundesregierung die Stabilität des Stromnetzes nochmal anschauen. Sie hätte dann die Möglichkeit, den Reservebetrieb der drei letzten RWE-Braunkohleblöcke für längstens drei weitere Jahre anzuordnen. So steht es im Gesetz, das den Kohleausstieg festlegt.

Das Eigentum bliebe dann bei der RWE, doch über den Einsatz der Kraftwerke würden Netzbetreiber bestimmen. „Das wären dann nicht mehr unsere CO₂-Emissionen“, sagt Krebber.

Mit der Abschaltung der Kohlekraftwerke folgt die RWE dem gesetzlichen Ausstiegsplan – und überdies den Wünschen von ökologisch orientierten Investoren. In der Grünwerdung hat es der ehemals größte europäische CO₂-Emittent weit gebracht: Allein im vergangenen Jahr hat RWE die Emissionen um 27 Prozent reduziert – auf nunmehr 60 Millionen Tonnen.

Quelle: Infografik WELT

Der Fortschritt, so Kebber, stehe „im Einklang mit dem 1,5-Grad-Pfad“ des Weltklimaabkommens. Mit Investitionen von 11 Milliarden Euro im vergangenen Jahr hat der Konzern unter anderem 164 neue Ökostrom-Anlagen unterschiedlicher Größe in zehn Ländern errichtet. Das Ökostrom-Portfolio der RWE wuchs damit um 6300 Megawatt, so viel wie sechs Großkraftwerke. Weitere 8000 Megawatt sind im Bau.

Mit 17.400 Megawatt verfügt RWE jetzt über mehr erneuerbare Leistung als je zuvor. Die Gaskraftwerke des Konzerns bringen es nur auf 15.700 Megawatt, Braunkohle liegt – noch – bei 8250 Megawatt. Doch weil ein Megawatt Kohlekraft übers Jahr mehr Megawattstunden Strom erzeugen kann als ein Megawatt Windkraft, ist der Strommix des Konzerns noch immer nicht sauber: Im vergangenen Jahr erzeugte RWE fast doppelt so viel Strom mit fossilen Brennstoffen wie mit all seinen Wind- und Solarparks zusammen.

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