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Artikeltyp:MeinungNationale Hafenstrategie

So werden Deutschlands Häfen nicht gestärkt

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 20.03.2024Lesedauer: 4 Minuten
WELT-Autor Olaf Preuß
WELT-Autor Olaf PreußQuelle: Bertold Fabricius

Deutschland will seine Energieversorgung im Wesentlichen an die Küsten verlagern – enthält aber den Seehäfen weiterhin die Unterstützung vor, die sie dafür brauchen. Vor allem auch das, was mit Geld nicht zu kaufen ist.

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Von einer konkreten Geldsumme ist keine Rede an diesem Tag, an dem der Bund seine lange erwartet „Nationale Hafenstrategie“ vorstellt. Hafenunternehmen und Verbände der maritimen Wirtschaft hatten in den vergangenen Monaten eine Verzehnfachung der direkten Bundesmittel für die deutschen Seehäfen auf 400 Millionen Euro im Jahr gefordert. Diese Aufstockung will der Bund aber nicht mittragen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) spricht von einem „Kursbuch“ mit rund 140 konkreten Maßnahmen, um die drängendsten Herausforderungen für die Seehäfen anzugehen – die überfällige Digitalisierung, den Kampf gegen den Fachkräftemangel, die Schaffung neuer, schwerlastfähiger Flächen für den Ausbau der Offshore-Windkraft auf Nord- und Ostsee.

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Einmal mehr führt Deutschland eine notwendige Diskussion nicht ehrlich. Das Land – und ganz explizit die amtierende Berliner Ampelkoalition – wollen einen wesentlichen Teil der nationalen Energieversorgung vom Inland an die Küsten verlegen. Norddeutschland wird für die Eigenerzeugung und den Import von Energie künftig das sein, was bislang das Ruhrgebiet und die Lausitz sind. Das bedeutet an den Küstenstandorten einen massiven, industriellen Strukturwandel, um die installierte Offshore-Windkraft-Leistung in den deutschen Seegebieten bis 2045 wie geplant in etwa zu verachtfachen, von heutzutage 8,6 auf dann 70 Gigawatt. Es bedeutet den Aufbau zunächst von Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG), die später auf regenerativ erzeugtes Ammoniak umgestellt werden können. Notwendig sind obendrein neue Importterminals für regenerativ erzeugten Wasserstoff und Methanol, Pipelines, Tanklager und eine vielfältige verarbeitende Industrie drumherum. Dafür braucht man nicht 400 Millionen Euro im Jahr für die Hafenstandorte, sondern mehrere Milliarden Euro.

Viel Engagement für die Häfen, nur eben nicht in Deutschland

Und nicht nur die mangelnde Finanzierung lässt es sehr zweifelhaft erscheinen, ob das Mammutprogramm einer maritim orientierten Energiewende mit der heute vorliegenden Nationalen Hafenstrategie tatsächlich vorankommt. Wagemut, Experimentierfreude, Pragmatismus, die dem Land auch beim Ausbau seiner Küstenstandorte schmerzlich fehlen, lassen sich mit Subventionen des Bundes nicht erkaufen. Wie große und kleine Häfen erneuert werden, mit Elan und Ideen, Engagement und Stolz, das zeigen in Europa viele Beispiele, von Rotterdam und Antwerpen bis Danzig und Triest. Nur eben nicht mehr in Deutschland.

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Vor zehn Jahren war Deutschland das weltweit führende Land beim Aufbau komplexester, küstenferner Offshore-Windparks. Dann bremste die damalige Bundesregierung aus CDU und SPD den Offshore-Ausbau ein, die Branche verschwand von den deutschen Küsten weitgehend wieder. Die notwendigen Schwerlastflächen in und an den Seehäfen, die seit damals hätten entwickelt und gebaut werden müssen, fehlen heutzutage dringend. Denn nun soll die Offshore-Windkraft quasi mit einem Crashprogramm ausgebaut werden, mit 30 Gigawatt installierter Leistung bereits im Jahr 2030.

Jahrelang kämpften Politik, Wirtschaft und Umweltschützer in Bremerhaven mit- und gegeneinander um den Bau eines Offshore-Schwerlastterminals in der Weser. Nach einem letztendlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig von 2022 scheiterte das Projekt aus Umweltschutzgründen. Die spannende Initiative der Cuxhavener Wirtschaftsförderung wiederum, in der Medemrinne an der Elbmündung aus Elbschlick eine künstliche InselLink wird in einem neuen Tab geöffnet für Windparks, Wasserstoff-Elektrolyseure und den Güterumschlag aufzuschütten, wird schon im Frühstadium von der Empörung örtlicher Umweltschützer und Anwohner eingedämmt und kleingehalten. Deutschland will eine „grüne“ Energiewende realisieren, doch nicht einmal mit professionellen Umweltschützern und ihren Verbänden gibt es über deren Umsetzung auch nur annähernd einen Konsens.

Längst wieder vergessen ist offenbar, dass der Aufbau von provisorischen LNG-Importterminals Deutschland vor eineinhalb Jahren vor einer schweren Energiekrise bewahrt hat. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine kappten die Russen im Sommer 2022 den Export ihres Pipelinegases nach Westeuropa. Im damals viel gerühmten „Deutschlandtempo“ schuf die Bundesregierung gemeinsam mit den Küstenländern die Infrastruktur für schwimmende LNG-Importterminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade und Lubmin. In Stade und Brunsbüttel sollen nun zugleich alte Projekte für stationäre LNG-Importterminals realisiert werden, für Anlagen, die künftig für den Import flüssiger „grüner“ Energie umgerüstet werden können. Doch gegen beide Projekte kämpfen, mit der Ankündigung von Klagen, bereits Umweltverbände und Bürgerinitiativen – LNG-Terminals würden die Nutzung fossiler Energien verstetigen, argumentieren sie.

Am Ende legt der Bund mit der „Nationalen Hafenstrategie“ nur eine Reparaturliste für die Versäumnisse aus Jahren und Jahrzehnten vor. Der marode Zustand des Nord-Ostsee-Kanals, die unzureichende Verbringung von Sedimenten besonders aus der Unterelbe und der Unterweser hinaus auf die Nordsee haben viel dazu beigetragen, dass die deutschen Seehäfen auch beim Containerumschlag hinter die Konkurrenzhäfen an Nord- und Ostsee zurückgefallen sind.

Allein der absurde Streit um den Erhalt der 50 Jahre alten, baufälligen Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen zeigt, wie weit Deutschland bei der Wertschätzung seiner Häfen in der Vergangenheit herumgeistert. Ein Tunnel unter dem Köhlbrand hindurch wäre die ideale Lösung als Ersatz für die heutige Brücke. Doch solch ein Tunnel kostet mehrere Milliarden Euro, die auch in der Kofinanzierung von Bund und Land Hamburg offenbar nicht darstellbar sind. So wird der Hamburger Senat nun den Bau einer höheren, noch wetteranfälligeren Brücke als Ersatz für das alte Bauwerk vorschlagen. Bis die neue Brücke gebaut und die alte abgerissen ist, dürften rund 20 Jahre vergehen. Wenn nichts dazwischenkommt.