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Deutschland „X“

Laute Kritik an Musks Plattform – und warum trotzdem fast alle Parteien den Bruch scheuen

Unternehmer Elon Musk Unternehmer Elon Musk
Unternehmer Elon Musk
Quelle: dpa; Montage: Infografik WELT
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Es hagelt Kritik an US-Unternehmer Elon Musk und seinem Umbau der inzwischen umgetauften Kurznachrichtenplattform Twitter – auch aus der Politik, vor allem aus dem linken Spektrum. Die SPD-Spitze zieht sich jetzt von X zurück, doch alle anderen Parteien bleiben. Das hat eigennützige Gründe.

Immer wieder ist sie zu hören seit der Übernahme durch Elon Musk: Kritik an der Kurznachrichtenplattform X. „Das geht gar nicht“, sagte etwa 2022 die ehemalige Linke- und jetzige BSW-Politikerin Amira Mohamed Ali zur Entlassungswelle des Unternehmens und deutete an, darüber nachzudenken, die Social-Media-Plattform zu verlassen. Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte nach der Übernahme, sie wolle die damals noch unter dem Namen Twitter bekannte Plattform zwar nicht sofort verlassen, schaue sich aber nach Alternativen um.

Hört man sich im politischen Berlin um, hat sich die Haltung vieler Politiker auch anderthalb Jahre, nachdem Musk das Ruder des US-Unternehmens übernommen hat, nicht verändert. Zu viele Hass- und Falschnachrichten, zu viel Desinformation, so die Kritik. Doch von einem Exodus kann dennoch kaum die Rede sein. Auch Mohamed Ali und Haßelmann sind weiter auf der Plattform aktiv.

Zwar haben allen voran SPD-Politiker wie die Parteivorsitzende Saskia Esken oder der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil ihren X-Rückzug vor einiger Zeit vollzogen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wandten sich bereits vor der Übernahme Musks ab. Doch es bleiben Einzelfälle.

Umso erstaunlicher war es für viele Beobachter, als kürzlich in einigen Medien die Überschrift zu lesen war, die SPD ziehe sich von X zurück. Es sei sehr überspitzt berichtet worden, sagt eine SPD-Sprecherin WELT. Es gehe lediglich um den X-Account des Parteivorstands, dieser werde künftig nicht mehr „groß aktiv“ kommunizieren, innerparteiliche Handlungsempfehlungen seien daran ohnehin nicht geknüpft.

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Zwar gehe es bei der Entscheidung, den größten SPD-Parteiaccount mit seinen rund 430.000 Followern weniger aktiv zu nutzen, auch um die zunehmend negative Stimmung auf X. Vor allem aber um den „sinnvollen Einsatz“ von Ressourcen. Der Fokus liege daher nun vermehrt auf WhatsApp und TikTok.

Eine kleine Zäsur

So oder so: Die Ankündigung kann als kleine Zäsur in der politischen Social-Media-Welt verstanden werden. Bisher hat keine Partei den Schritt gewagt, einen Kanal mit dieser Reichweite mehr oder weniger ungenutzt liegenzulassen. Bleibt die Frage, welches Risiko die SPD damit eingeht.

Betrachtet man die reinen Zahlen, spielt Twitter im Vergleich zu anderen Social-Media-Plattformen eine deutlich untergeordnete Rolle. Einer Online-Studie von ARD und ZDF zufolge nutzten im vergangenen Jahr lediglich vier Prozent aller Menschen in Deutschland täglich X. Zum Vergleich: Bei Instagram waren es 25 Prozent, bei Facebook 20 Prozent.

Politikwissenschaftler Marius Sältzer von der Universität Oldenburg sagt: „Die Rolle von X für die Wählermobilisierung war schon immer fragwürdig. Die Nutzerzahlen sind einfach zu gering.“ X sei für Politiker vor allem eine Möglichkeit, um „politische Eliten“, etwa andere Politiker und vor allem Medien, zu erreichen.

Doch auch wenn X in der direkten Wählermobilisierung eine kleine Rolle spielt, könne die Plattform im politischen Geflecht durchaus einen entscheidenden Beitrag leisten. „Eine Karriere wie die von Karl Lauterbach wäre ohne soziale Medien undenkbar gewesen. Ohne Twitter wäre Lauterbach vermutlich nie Minister geworden, wenn es den öffentlichen Druck durch seine Medienpräsenz nicht gegeben hätte“, sagte Sältzer im vergangenen Jahr in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“.

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Umgekehrt ausgedrückt: Fällt die Plattform für Abgeordnete und Parteien weg, besteht die Gefahr einer geringeren Wahrnehmung. Diese Gefahr sieht auch die Bamberger Kommunikationswissenschaftlerin Annika Geuß nun für die SPD. In der politischen Kommunikation sei X eine Plattform, mit der eine „Selbst- und Fremdthematisierung in der politisch-journalistischen Öffentlichkeit“ betrieben werden könne, sagt sie. Das gelte umso mehr für die SPD, die im Bundestagswahlkampf 2021 Twitter viel intensiver genutzt habe als andere Parteien. „Deshalb ist es möglich, dass der Verzicht auf diese Plattform für die SPD eine stärkere Änderung bedeutet als für andere Parteien, vor allem eine geringere Sichtbarkeit in journalistischen Sphären.“

Welche Bedeutung X im Nachrichtenjournalismus einnimmt, zeigten in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Beispiele. Als der damalige Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet 2021 im Ahrtal-Flutgebiet lachte, ging das Video innerhalb kürzester Zeit viral – und die Medien griffen es auf. Als Ursula von der Leyen (beide CDU) 2019 ihren Rücktritt als Verteidigungsministerin verkündete, tat sie das zuerst auf dem damaligen Twitter. Für politische Journalisten ist X entsprechend noch immer eine wichtige Informationsquelle.

„Öffentlichkeitsarbeit an der Mediennutzung ausrichten“

Das Risiko, aus diesem journalistischen Einflussgebiet zu verschwinden, wollen andere Parteien offenbar nicht eingehen. Die FDP teilt WELT mit: „Um die Menschen auch tatsächlich erreichen zu können, müssen wir unsere Öffentlichkeitsarbeit an ihrer Mediennutzung ausrichten. Das Feld dort wollen wir darüber hinaus nicht politischen Kräften außerhalb der Mitte überlassen.“ Die Grünen erklären, die Entwicklung auf X zu beobachten, ein Rückzug sei aktuell aber kein Thema.

Ähnlich äußert sich die CDU. „Selbstverständlich verfolgen wir die Debatte um die Plattform aufmerksam“, heißt es aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Man erachte es jedoch als wichtig, X als „Kommunikations- und Informationskanal weiterhin zu pflegen sowie Diskussionsräume zu schaffen.“

Elon Musk besucht Auschwitz nach Vorwürfen des Antisemitismus

Space-X-Gründer Elon Musk hat das ehemalige Nazi-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Begleitung des orthodoxen US-Publizisten Ben Shapiro besucht. Musk war zuletzt wegen Antisemitismus-Vorwürfen in die Kritik geraten.

Quelle: WELT TV

Die Bundesgeschäftsstelle der AfD greift die SPD für ihre Entscheidung an. „Man kann die eigene Regierungspolitik bei X nicht mehr untermauern, also entzieht man sich der Diskussion.“

Die Linkspartei erklärt, dass der „individuelle Rückzug“ nicht ausreichen werde, um „die Entwicklung solcher Konzerne zu stoppen“. Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert fordert eine öffentliche Plattform als Alternative. „Es ist an der Zeit, mit massiven Investitionen die Macht der Konzerne zu brechen und eine starke Alternative in öffentlicher Hand zu etablieren“.

Auch die neu gegründete Partei von Sahra Wagenknecht sagt, dass sie die Entwicklungen von X kritisch sehe. Es gebe aber aktuell „leider kein alternatives Kurznachrichtenportal mit einer ähnlich großen Verbreitung“.

Das bestätigt Politikwissenschaftler Marius Sältzer. „Bluesky und Mastodon sind nach anfänglicher Euphorie weitgehend irrelevant geblieben.“ Der ehemalige Chefredakteur des Blogs netzpolitik.org, Markus Beckedahl, hält es aber für möglich, dass sich das mittelfristig ändern könnte. „Auch wenn sich die Plattformen miteinander vernetzen.“

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