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Wirtschaft Abwanderung von Studenten

Deutschlands drohender „Brain-Drain“

Redakteur Wirtschaft und Finanzen
Studenten an der Uni Köln Studenten an der Uni Köln
Viele Studenten können sich einen Wegzug vorstellen oder planen ihn bereits
Quelle: picture alliance/Panama Pictures/Christoph Hardt
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Studieren ist in Deutschland hoch beliebt – auch für Ausländer. Doch eine neue Erhebung zeigt eine besorgniserregende Entwicklung: Junge Menschen an deutschen Hochschulen – vor allem Migranten – zieht es vermehrt weg aus Deutschland. Sie schätzen ihre Jobchancen anderswo besser ein.

Seit Monaten ziehen mehrere Bundesminister, inklusive des Kanzlers, auf Werbetour durch die halbe Welt. Ob Brasilien, Ghana oder Indien: Nicht nur Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will in einer ganzen Reihe von Ländern außerhalb Europas junge Menschen dazu bewegen, nach Deutschland zu ziehen. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rühren auf ihren zahlreichen Reisen die Werbetrommel für die Bundesrepublik.

Eigens eingerichtete Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie im Bundesarbeitsministerium (BMAS) sollen die Anwerbung erleichtern; die Ampelregierung hat zudem die Rechtslage mit dem „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ weiter liberalisiert und mit zahlreichen Staaten Anwerbeabkommen geschlossen. Kommen sollen Menschen, die bereits eine Ausbildung oder Studium vorweisen können – vermehrt wird aber auch um Studenten geworben, die nach ihrem Abschluss hier bleiben sollen.

Nun zeigt eine neue Erhebung gleich zwei besorgniserregende Entwicklungen. Der ohnehin schon ausgeprägte Arbeitskräftemangel – 1,8 Millionen offene Stellen zählt die Industrie- und Handelskammer derzeit – droht sich noch weiter zu verschärfen. Dem Land droht ein zunehmender „Brain-Drain“: die Abwanderung von jungen Menschen mit überdurchschnittlich guter Bildung. Einerseits zieht es gerade ausländische Studenten hierzulande zurück in ihre Heimat oder in andere Länder. Andererseits können sich auch viele deutsche Studenten einen Wegzug vorstellen oder planen ihn bereits.

Das geht aus einer repräsentativen Studie des Personaldienstleisters Jobvalley und dem Department of Labour Economics der Universität Maastricht hervor, die WELT exklusiv vorliegt. Befragt wurden im Oktober und November 2023 insgesamt 12.343 Studenten aus ganz Deutschland. Der Anteil der Deutschen mit Migrationshintergrund lag dabei bei 24 Prozent; 28 Prozent der Befragten waren ausländische Studenten.

Von einer „Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ spricht Clemens Weitz, Geschäftsführer von Jobvalley. „Es wird viel darüber diskutiert, wie man qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland hierher holen kann – das ist wichtig und richtig. Wir müssen gleichzeitig unsere eigenen Fachkräfte im Land halten und bessere Perspektiven schaffen“, fordert er.

Wie nötig das wäre, zeigt besonders ein Punkt in der Umfrage: Mehr als ein Sechstel der Umfrageteilnehmer (18 Prozent) schätzen ihre Jobchancen im Ausland besser ein als in Deutschland. Umfrageteilenehmer mit Migrationshintergrund sehen zu 24 Prozent eine bessere berufliche Perspektive im Ausland – knapp 6 Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt aller Studenten. „Es ist besonders alarmierend, dass wir Gefahr laufen, jeden fünften bis sechsten Studierenden mit Migrationshintergrund zu verlieren“, warnt Weitz.

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In zwei Bereichen, in denen Deutschland besonders dringend mehr Personal braucht, liegen die Werte über dem Durchschnitt: In den MINT-Fächern sind es mehr als 22 Prozent, im Gesundheitsbereich 27 Prozent. Dabei sind bereits jetzt 149.000 IT-Jobs in Deutschland laut Branchenverband Bitkom unbesetzt. Das sind noch einmal 12.000 mehr als vor einem Jahr, als 137.000 Stellen offen waren.

Im Gesundheitswesen sieht es derzeit zwar besser aus. Die Beschäftigung in der Branche ist laut Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2023 stark gewachsen. Doch aufgrund der Überalterung des Landes spitzt sich die Personalknappheit weiter zu: Die Zahl der Erwerbstätigen wird mittelfristig schrumpfen, während die Zahl der Pflegebedürftigen und älteren Menschen, die mehr medizinische Betreuung benötigen, stark anwächst. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC rechnet im Gesundheitswesen gar mit einem Negativrekord von 1,8 Millionen offenen Stellen im Jahr 2035.

Fast jeder siebte Student (13,3 Prozent) hat bereits konkrete Pläne für die Abwanderung aus Deutschland. Sie geben an, die Bundesrepublik mit dem Abschluss in der Tasche verlassen zu wollen. Auffällig dabei: Sowohl die Zustimmung zu besseren beruflichen Perspektiven im Ausland (24 Prozent), wie auch die Pläne zur Abwanderung (17,5 Prozent) sind bei Studenten mit Migrationshintergrund nochmals höher. In den Wirtschaftswissenschaften (17,7 Prozent) und in den Sprach- und Kulturwissenschaften (17,2 Prozent) haben die meisten Stundeten konkrete Abwanderungspläne.

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Clemens Weitz sieht aber nicht nur die Politik in der Pflicht – sondern auch die deutsche Wirtschaft selbst. „Unternehmen tun sich oft schwer damit, Berührungspunkte mit jungen Talenten zu finden“, sagt er. Personaler täten gut daran, Studenten bereits während ihres Studiums zu fördern und Perspektivgespräche anzubieten. Das erhöhe die Chance, langfristige Erfolge in der Fachkräftesicherung zu erzielen.

Deutschland konjunkturelle Flaute hat erhebliche Auswirkungen auf die Frage der Standortwahl der Studenten – und hierbei zeigt sich ein besorgniserregender Pessimismus. Zum Zeitpunkt der Erhebung bewerteten 28 Prozent der Befragten die aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland als gut oder eher gut – 34 Prozent wiederum als schlecht oder eher schlecht.

Und der Blick auf die kommenden Jahre ist nicht besser: 36 Prozent der Befragten schätzen die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung als schlecht oder eher schlecht ein.

Immerhin: Trotz der Abwanderungspläne zieht Deutschland nach wie vor viele Studenten aus dem Ausland an – wohl auch, weil die Studiengebühren im internationalen Vergleich sehr gering sind. Im vergangenen Wintersemester waren von den knapp 2,9 Millionen Studenten hierzulande rund 370.000 Ausländer – so viele wie nie zuvor. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wertet das als eine „sehr gute Nachricht“ für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort.

Bei den wichtigsten Herkunftsländern steht zum ersten Mal Indien mit rund 42.600 Studenten auf Platz eins vor China (39.137) und Syrien (15.563). Deutlich gestiegen ist die Zahl der ukrainischen Studenten mit nunmehr 9.100. Eine Auswertung des Bundesbildungsministeriums zeigt zudem: 45 Prozent der internationalen Studenten leben zehn Jahre nach dem Studienbeginn noch in Deutschland.

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