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Wirtschaft Analyse der Bundesbank

Verkraften wir Chinas Abschwung? Diese beiden Szenarien liefern die Antwort

Finanz-Redakteur
Quelle: Geng Yuhe/VCG via Getty Images; Montage: Infografik WELT
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Chinas Konjunktur lahmt. Nun ist sogar eine tiefe Wirtschaftskrise realistisch. Die Bundesbank fürchtet schwere Folgen für Deutschland. Gleichzeitig warnt sie vor einem noch weit drastischeren Szenario. Es würde auch unser Finanzsystem erschüttern.

Am 10. Februar 2024 beginnt für die Chinesen das Jahr des Drachen. Er symbolisiert traditionell die kaiserliche Macht, Kraft und Energie. Verbunden ist der Drache in diesem Jahr mit dem Element Holz, das für Wachstum und Stabilität steht. Astrologisch spricht also alles für eine schwungvolle Wende der darbenden chinesischen Konjunktur. Doch Volkswirte und Unternehmer verlassen sich lieber auf handfeste Daten, und diese sehen nach wie vor gruselig aus.

Chinas Wirtschaft scheint in einer tiefen Krise, weit mehr als das die offiziellen Zahlen zeigen. Das ruft nun sogar die Bundesbank auf den Plan. Sie hat in ihrem aktuellen Monatsbericht analysiert, was ein tiefer Einbruch der chinesischen Wirtschaft für Deutschland bedeuten würde, aber auch, was die Folgen eines abrupten Abbruchs der Handelsbeziehungen wären. Die Ergebnisse sind zutiefst beunruhigend.

„Wirtschaftlich steht China derzeit vor großen Herausforderungen“, formuliert die Bundesbank in ihrer Analyse zunächst recht vorsichtig, ergänzt dann aber: „Auch eine Wirtschaftskrise mit internationalen Ausstrahlwirkungen erscheint nicht ausgeschlossen.“ Und das überrascht zunächst.

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Denn betrachtet man die offiziellen Zahlen, erscheint das derzeit abwegig. Diesen zufolge wuchs Chinas Wirtschaft auch im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent. Doch daran ist zum einen bemerkenswert, dass selbst nach offiziellen Angaben das nominale Wachstum, das die Inflation außen vor lässt, nur bei 4,2 Prozent lag, denn 2023 fielen die Preise in dem Land. China befindet sich also in einer tiefen Deflation. Zum anderen zweifeln viele Ökonomen Pekings Daten inzwischen an.

Schließlich kämpft die Volksrepublik mit einer ganzen Reihe von Problemen. Die radikalen Lockdowns während der Pandemie sowie willkürliche politische Maßnahmen gegen diverse erfolgreiche Internetunternehmen, die deren Geschäftsmodelle zerstörten, haben das Vertrauen in die Kompetenz der Politik nachhaltig gestört. Gleichzeitig wirken die protektionistischen Maßnahmen der USA.

Quelle: Infografik WELT

„Doch vor allem ist da die Immobilienkrise, bei der kein Ende abzusehen ist“, sagt Alexis Bienvenu, Fondsmanager bei der Investmentgesellschaft LFDE. „Der Sektor erholt sich einfach nicht, obwohl seit zwei Jahren verschiedene Unterstützungsmaßnahmen laufen, darunter die gewagte Anordnung an die Banken, mehr Kredite an Immobilienentwickler zu vergeben.“

Dazu kommt noch, dass inzwischen auch die Bevölkerung schrumpft, im vergangenen Jahr um zwei Millionen Menschen, und das war erst der Anfang. Denn die Geburtenrate liegt inzwischen bei 1,1 Kindern pro Frau, noch weit tiefer als in Deutschland. Bis 2065 dürfte die Bevölkerungszahl UN-Prognosen zufolge um fast 300 Millionen zurückgehen, bis 2100 sogar um fast 40 Prozent auf 766 Millionen. Und das bei einer Gesamtverschuldung von Staat und Privatsektor von rund 360 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Viele Unternehmen müssten um Umsätze und Gewinne fürchten

Die Ingredienzien für eine tiefe Wirtschaftskrise sind also vorhanden. Und daher hat die Bundesbank analysiert, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn eine solche eintritt. Angenommen wurde dafür, dass die Investitionen in China über zwei Jahre um zwölf Prozent einbrechen beziehungsweise die Wirtschaftsleistung um neun Prozent zurückgeht.

Als Folge davon würde die deutsche Wirtschaftsleistung im ersten Jahr um 0,7 Prozent und im zweiten um 1,0 Prozent einbrechen, so die Berechnungen der Bundesbank. Das klingt zunächst verkraftbar. Doch entscheidend ist: Einige Sektoren würden weit stärker getroffen, vor allem jene, die zum Kern der deutschen Wirtschaft gehören.

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„Speziell in der Industrie hängen einige Branchen stark von der chinesischen Nachfrage ab, und manche direkt in China engagierte Unternehmen müssten um einen substanziellen Teil ihrer Umsätze und Gewinne fürchten“, heißt es in der Analyse. Besonders exponiert sind die Automobilbranche, Hersteller elektrischer Ausrüstung oder von elektronischen und optischen Geräten sowie von Maschinen.

In diesen Branchen liegt der Anteil Chinas an den Gesamtexporten zwischen neun und zwölf Prozent und damit weit über dem Durchschnitt, der bei etwa sieben Prozent liegt. Gleichzeitig handelt es sich hierbei um Branchen, die besonders exportintensiv sind.

Quelle: Infografik WELT

Noch dramatischer würde sich ein anderes Szenario auswirken: Der abrupte Abbruch der Handelsbeziehungen, der folgen könnte, wenn China Taiwan überfällt. Denn in einem solchen Fall würden auch die deutschen Importe aus China einbrechen. In einigen Bereichen besteht hier jedoch eine hohe Abhängigkeit, beispielsweise bei Akkus und Batterien sowie bei einigen Rohstoffen wie Seltenen Erden, aber auch bei pharmazeutischen Wirkstoffen wie Antibiotika.

Bei einer Reihe von Produkten sei es zudem kaum möglich, auf andere Lieferländer auszuweichen, da China die Produktion dieser Güter weltweit dominiert, so die Bundesbank.

Besonders ausgeprägt sei die Abhängigkeit gegenüber China bei einigen kritischen Rohstoffen. „Diese sind nicht zuletzt für die Produktion von Elektromotoren, Windturbinen, Photovoltaikanlagen und anderen Zukunftstechnologien essenziell“, heißt es.

Aber es geht auch weit darüber hinaus. Einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr zufolge bezieht fast jedes zweite Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe direkt oder indirekt kritische Vorprodukte aus China, und mehr als 80 Prozent dieser Unternehmen gaben an, dass eine Substitution der kritischen Vorleistungsgüter zumindest schwierig sei.

Quelle: Infografik WELT

Ausbleibende Lieferungen könnten zumindest kurzfristig gravierende Produktionsausfälle nach sich ziehen, und dies dürfte in der hochgradig arbeitsteiligen deutschen Industrie auf nachgelagerte Produktionsstufen durchschlagen. Und all das dürfte zu Unsicherheit in allen Wirtschaftsbereichen führen. „Insgesamt würden die gesamtwirtschaftlichen Einbußen die Kosten der weitreichenden Abkopplung von Russland wohl klar in den Schatten stellen“, so die Bundesbank.

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Und sie verweist noch auf ein Risiko, das in den Debatten bisher kaum beachtet wurde: Das Finanzsystem. Zwar belaufen sich die direkten Forderungen deutscher Banken gegenüber China nur auf rund 36 Milliarden Euro oder 0,1 Prozent der Forderungen gegenüber allen Kundengruppen. In der Liste der größten Schuldner steht China gerade mal auf Platz 20.

„Deutsche Banken haben aber hohe Forderungen gegenüber inländischen Unternehmen und Sektoren, die stark von China abhängen“, warnt die Bundesbank. Betrachtet man jene Branchen, die besonders stark im China-Geschäft sind, dann belaufen sich die Forderungen inländischer Banken gegenüber den entsprechenden Unternehmen auf immerhin 140 Milliarden Euro.

Noch lauter schrillen die Alarmglocken, wenn man über alle Branchen hinweg die besonders auf China konzentrierten Firmen zur Grundlage nimmt. Diesen gegenüber belaufen sich die Forderungen deutscher Banken sogar auf 220 Milliarden Euro – das sind fast 42 Prozent des aggregierten harten Kernkapitals. Und besonders betroffen sind ausgerechnet die großen, systemrelevanten Institute.

„Hinzu kämen in einem derartigen Szenario aller Voraussicht nach weitere Belastungen für das deutsche Finanzsystem“, so die Bundesbank. „Diese könnten etwa von einem allgemeinen Vertrauensverlust auf den weltweiten Finanzmärkten ausgehen.“

Auch China ist an guten Beziehungen interessiert, sagt die Bundesbank

Letztlich wäre eine tiefe Wirtschaftskrise in China für die deutsche Wirtschaft zwar eine Belastung, sie dürfte aber zu verkraften sein. Weit schwerwiegender wären dagegen die Folgen einer abrupten, völligen Abkopplung, beispielsweise infolge eines Überfalls auf Taiwan.

Allerdings würde darunter China mindestens genauso stark leiden, glaubt die Bundesbank. Dies sei daher auch für China weder erstrebenswert noch realistisch. „Der Fortbestand guter wirtschaftlicher Beziehungen liegt daher im beiderseitigen Interesse.“

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Gleichzeitig fordert sie jedoch von Unternehmen und Politik, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um Risiken zu reduzieren und die Widerstandsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zu stärken. Dieser Weg führe vor allem über eine Stärkung der internationalen Handelsordnung sowie regionale Freihandelsabkommen, die es Unternehmen erleichtern, internationale Lieferbeziehungen zu diversifizieren.

Die China-Strategie der Bundesregierung und Maßnahmen der Europäischen Kommission wiesen dabei in die richtige Richtung. Zudem sollten aber auch Finanzinstitute vermehrt mögliche Verwundbarkeiten in den Fokus nehmen, auch indirekte.

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