Spitzenmanager und führende deutsche Politiker fordern eine höhere Leistungsbereitschaft für mehr Wirtschaftswachstum. „Wir brauchen in Deutschland dringend mehr Wachstum“, sagte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing beim WELT-Wirtschaftsgipfel im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin. „Und dafür müssen wir auch bereit sein, wieder mehr und härter zu arbeiten – statt über eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich zu diskutieren.“
Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaftsleistung (BIP) um 0,3 Prozent gesunken, auch für 2024 gehen viele Experten von einem leichten Rückgang aus. „Die Fakten zum Standort sind besser als die Stimmung“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Deutschland habe die größten Direktinvestitionen, die jemals in Europa getätigt wurden, die Regierung habe das Anwerben von Fachkräften deutlich erleichtert, und die Staatsverschuldung sei niedrig. „All das sind Zeichen für eine gute Volkswirtschaft mit Zukunft“, sagte Scholz.
Die Wachstumsschwäche schlägt sich jedoch auf die Stimmung nieder, was sich auch bei schwachen Konsumausgaben zeigt. „So lange so viele Menschen sagen, mir geht es persönlich zwar gut, aber die wirtschaftliche Perspektive des Landes ist schrecklich, so lange wird sich die Stimmung nicht ändern. Deutschland braucht daher eine Wirtschaftswende“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
Die Bundesregierung müsse jetzt bessere Bedingungen für einen Aufschwung schaffen. „Die Probleme liegen von Bürokratie bis Steuer auf der Hand“, sagte der FDP-Chef.
Die regierende Koalition aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen konnte sich zuletzt jedoch nur selten auf eine gemeinsame Standortpolitik einigen. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) mahnte einen Richtungswechsel an. „Wir müssen die sozialen Leistungen unseres Landes vom Kopf auf die Füße stellen“, sagte der CDU-Chef.
Commerzbank-Chef fordert Zukunftsagenda für Deutschland
Schon der Name Bürgergeld suggeriere, dass es sich um ein bedingungsloses Grundeinkommen handele. „Das Gegenteil müssen wir erreichen“, sagte Merz. Alex Karp, Chef des US-Softwareunternehmens Palantir, forderte klare Prioritäten: „Man kann nicht ohne messbares Wachstum leben“, sagte er.
Auch Commerzbank-Chef Manfred Knof mahnte Reformen an. Der deutsche Mittelstand sei zwar stark und resilient, sagte er. „Die Unternehmen melden uns aber auch Ängste, und wir nehmen einen Investitionsstau wahr.“ Noch nie sei die Pipeline so leer gewesen. „Wir benötigen eine Zukunftsagenda für Deutschland“, sagte Knof.
Siemens-Chef Roland Busch forderte unter anderem stärkere Leistungsanreize für Arbeitnehmer. „Es könnte diskutiert werden, ob man ab der 35. Arbeitsstunde keine Steuern mehr zahlen muss. Das könnte zu einer spürbaren Leistungssteigerung beitragen.“ An der starken Exportorientierung solle festgehalten werden. „Wir sollten nicht vergessen, dass unser Geschäftsmodell in Deutschland freier und offener Handel ist“, sagte Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius.
Geopolitische Spannungen und wachsender Protektionismus treiben viele Manager um. In den USA könnte im Herbst Donald Trump wieder Präsident werden, der Konflikt zwischen China und dem Westen belastet die Beziehungen, Russland verstärkt seine Angriffe auf die Ukraine.
„AfD ist Gift für den Wirtschaftsstandort“
Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner stellte daher die Frage, welche Weltordnung wir wollten, „und was kann die deutsche Wirtschaft tun, damit es eine demokratische bleibt?“
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verwies auf die wertegeleitete Außenpolitik der Bundesregierung. Diese sei „definitiv kein überflüssiger Luxus. Unsere Werte liegen im Kerninteresse der Wirtschaft, denn die ist auf Regeln gebaut, die auch für alle gelten müssen.“
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte vor dem Risiko eines Erstarkens der rechtspopulistischen AfD. „Die AfD ist Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sie ist Gift für das gesellschaftliche Klima“, sagte er WELT TV. Die ökonomische Situation sei schwierig und die Erholung gestalte sich mühsam. „Wir arbeiten weiter Stück für Stück an der Erneuerung der Infrastruktur, damit wir den Standort zukunftsfähig machen.“