Tricksen, Täuschen und Verschleiern gehören zum Standard-Repertoire der Militärs. So werden in der Luftwaffe seit Jahrzehnten Täuschkörper eingesetzt, die von Militärflugzeugen oder Hubschraubern im Flug ausgestoßen werden.
Mit sogenannten „Flares“ sollen Lenkwaffen und Raketen in die Irre geführt werden, die mit Infrarot-Technik das heiße Triebwerk des Ziels ansteuern. Rheinmetall meldet jetzt einen Bundeswehrauftrag über knapp 50 Millionen Euro für die Lieferung von fast einer halben Million Scheinzielen bis Ende 2029.
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte Ende November dem Vorhaben bereits zugestimmt. Finanziert wird die Beschaffung über den regulären Verteidigungshaushalt.
Der Auftrag ist ein Meilenstein im Technikwettlauf zwischen Angriff und Verteidigung. Sehr vereinfacht ausgedrückt sind „Flares“ starke Fackeln, deren Infrarot-Strahlung die heißen Triebwerksgase simulieren oder überdecken sollen. Bereits im Rheinmetall-Geschäftsbericht von 2019 steht eine Passage, dass zum Schutz von Luftfahrzeugen wie Hubschrauber, Transportflugzeuge und Jets gegen moderne Flugabwehrraketen eine neue Generation von Scheinzielen erforderlich ist.
Gemeint war, dass eine simple heiße Fackel zum Täuschen nicht mehr genügt. Moderne Lenkflugkörper haben nämlich eine Falschzielanalyse, um sich nicht so leicht in die Irre führen zu lassen. So wird beispielsweise die Temperatur des Ziels gemessen. Teilweise wird auch Radar- und Infrarot-Zielsuchtechnik kombiniert.
Die Lösung ist offensichtlich die Nachbildung einer ähnlichen Infrarot-Signatur des Luftfahrzeugs im Flug. Hierdurch könnten erfolgreich vom Boden oder aus feindlichen Flugzeugen abgefeuerte Lenkflugkörper getäuscht werden, heißt es beim Düsseldorfer Rüstungs- und Technikkonzern. Experten sprechen von einem bispektralen-Infrarot-Scheinziel, das Rheinmetall unter der Marke Birdie (Bispectral Infrared Decoy Improved Efficiency) vermarktet.
Vor dem Einsatz bei der Bundeswehr mussten die Produkte von der wehrtechnischen Dienststellen der Streitkräfte abgenommen werden. Im Herbst 2023 seien sogenannte „Flächen-Flares“ erprobt worden, heißt es bei der Bundeswehr.
Es handelte sich um „Flares“ mit einer pyrophoren – also „feuertragenden“ – Wirkmasse, die im Vergleich zu gewöhnlichen, punktuell wirkenden „Flares“ eine größere Fläche zur Täuschung aufbauen. Die Stoffe entzünden sich auch in kleinen Mengen beim Kontakt mit dem Sauerstoff in der Luft und hinterlassen eine heiße Infrarot-Signatur – und sind somit als Objekt auf einem Infrarotsensor sichtbar.
Beim Deutschen Patentamt finden sich mehrere Schutzrechtsanmeldungen von unterschiedlichen Unternehmen, wie Angreifer ausgetrickst werden sollen. Die Palette reicht von Infrarot-Scheinzielen, elektromagnetischen Täuschsignalen bis hin zu Radarscheinzielwerfern für sogenannte Chaffs, was wörtlich übersetzt so viel wie „Spreu“ bedeutet. Die Zeiten, als das Abwerfen von simpler Aluminium-Folie zum Verwirren des Radars genügte, sind vorbei. Inzwischen gibt es „Geister-Wolken“ aus beschichteten Glasfasern oder Nylonfäden zum Stören der Radarwellen.
Der Technikwettlauf zwischen Angriff und Verteidigung zeigt sich beispielsweise an der Lenkwaffe Iris T vom Nürnberger Diehl-Konzern. Iris T kann in verschiedenen Versionen aus der Luft oder vom Boden gestartet werden. Die Lenkwaffe nutzt unter anderem die Bundeswehr oder Saudi-Arabien zum Abfeuern vom Eurofighter und die Ukraine für Starts vom Boden gegen Angriffe der Russen.
In einer Bundeswehr-Präsentation heißt es stolz: Zur Zielerfassung und Zielverfolgung verfüge Iris T über einen „abbildenden Infrarotsuchkopf“. Wörtlich: „Dieser kann zwischen der Wärmequelle des Ziels und Infrarot-Täuschkörpern unterscheiden.“ Ob Birdie von Rheinmetall das Diehl-Produkt austricksen könnte, ist nicht bekannt.