WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Europa
  4. Bahnfahrt: Wie ist das Essen im Zug? Vier Speisewagen im Test

Europa Bahnreisen

Wie ist das Essen im Zug? Vier Speisewagen im Test

Unsere Autorin hat in Zugrestaurants vier europäischer Bahngesellschaften gespeist. Bei ihren Testessen stellte sie fest: Speisewagen ist nicht gleich Speisewagen – die Qualitätsunterschiede sind enorm.
Bordrestaurant eines ICE der Deutschen Bahn Bordrestaurant eines ICE der Deutschen Bahn
Die Kellner sind freundlich, nicht immer bekommt der Gast im Bordrestaurant eines ICE aber das, was er gerne hätte
Quelle: picture alliance / dpa

Als die Deutsche Bahn Anfang des Jahrtausends überlegte, ihre Speisewagen aus dem Verkehr zu ziehen, gab es einen Proteststurm – und bald darauf ein Bekenntnis des Bahn-Vorstands: „Wir haben die emotionale Bedeutung der Speisewagen für unsere Kunden unterschätzt.“ Die bereits begonnene Abschaffung der Zugrestaurants wurde gestoppt, und obwohl sie Verluste machen, rollen weiterhin Hunderte Speisewagen und Bordbistros über deutsche Gleise.

Nicht nur in Deutschland, auch im benachbarten Ausland wird der Speisewagen geschätzt. Wobei nicht nur Restaurants auf Schienen unterwegs sind, mit richtiger Küche und Tischen mit weißen Decken.

Zunehmend sind auch Bistrowagen und rollende Snackbars im Einsatz, in denen allenfalls vorgekochte Fertiggerichte in der Mikrowelle erwärmt werden. Die Spannbreite hinsichtlich Auswahl und Qualität ist enorm, wie unser Test von vier europäischen Speisewagen zeigt.

Tschechische Staatsbahn: die fahrende Gulaschkanone

Der gute Ruf des tschechischen Speisewagens bestätigt sich, sobald man ihn betritt: Sogleich tritt der Geruch von Bratfett in die Nase. Der Blick in die enge Küche bestätigt, dass bei der tschechischen Staatsbahn ČD noch richtig gekocht wird.

Ein echter Koch brät gerade ein paar Schnitzel in reichlich Öl und wendet gleichzeitig kleine, runde Kartoffeln in einer zweiten Pfanne. Dieser Service ist ein Luxus, den sonst keine der auf Systemgastronomie gepolten Bahngesellschaften in Europa bietet.

Speisewagen in tschechischem Zug
Quelle: picture alliance / dpa

Da stört es auch nicht, dass der Speisewagen im Eurocity von Hamburg über Berlin und Dresden nach Prag etwas in die Jahre gekommen ist: Die Wände weiß, kleine Hutablagen ragen über den Tischen, die mit steifen, weißen Tischdecken gedeckt sind. Die breiten Sitze sind mit rotem Kunstleder überzogen und erinnern an ein amerikanisches Diner aus den 1950er-Jahren.

Die bestellte Gulaschsuppe steht bei der Testfahrt im Nullkommanix dampfend auf dem Tisch, serviert von einer freundlichen, lächelnden Bedienung. Die Vorspeise ist etwas fad gewürzt und enthält nur wenig Fleisch. Kräftiger schmeckt das mitservierte Kümmel-Graubrot.

Essen in tschechischem Zug
Quelle: Antonia Aravena

Dagegen kann der Kalbsbraten mit Linsen geschmacklich überzeugen, auch wenn die Gemüsebeilage etwas zu weich ist. Wie es sich für die tschechische Küche gehört, gibt es reichlich braune Soße. Das frisch gezapfte Pilsner Urquell scheint der Bestseller zu sein – ständig rauscht die Kellnerin mit schweren Tabletts durch das rollende Gasthaus.

Essen in tschechischem Zug
Quelle: Antonia Aravena

Eine weitere Besonderheit: Fast alle Gerichte werden rabattiert, sobald der Zug auf tschechischem Gebiet rollt. Damit kommt die Bahn ihren tschechischen Fahrgästen entgegen, deren Kaufkraft vergleichsweise niedrig ist. Aber auch deutsche Reisende profitieren von dieser Regel. Sobald der Zug die Grenze passiert hat, wird es rappelvoll im Speisewagen. Kein Wunder, kostet ein Bier jetzt nur noch 1,40 Euro.

Anzeige

Bewertung: 4,5 von 5 Gulasch-Suppen

Deutsche Bahn: das „Nicht vorrätig“-Bordrestaurant

Die meisten ICE der Deutschen Bahn führen ein Bordrestaurant oder mindestens ein Bordbistro (überwiegend mit Stehtischen), das Angebot an warmen Speisen ist seit 2018 identisch. Das neue Konzept: Es gibt Klassiker (wie Chili con Carne) und alle zwei Monate wechselnde Gerichte (wie Hirschgulasch). Theoretisch.

Praktisch sind die Speisewagen der DB dafür berüchtigt, dass mal die Kaffeemaschine streikt, mal gibt es nur Sandwiches, weil die Kühlung streikt oder die Wasserversorgung nicht mehr will. Oder es geht gar nichts – weil das Personal fehlt. Auch sind Dialoge wie diese an der Tagesordnung: „Ich hätte gern…“ – „Ist aus.“ –„Ach so, dann eben…“ – „Nicht vorrätig.“ – „Was haben Sie denn?“ – „Nur noch...“ – „Tja, dann nehme ich das.“

Essen in Speisewagen der Deutschen Bahn
Quelle: Antonia Aravena

Bei unserem Test im ICE-Bordrestaurant auf der Strecke Berlin–Köln gibt es immerhin warme Küche und einen Sitzplatz, die Gerichte auf der Karte sind tatsächlich alle vorrätig. Der Speisewagen ist im DB-Design durchgestylt: Wände mit Holzdekor, große, rote Sitze, abgerundete Ecken. Die Tische sind mit weißen Tischdecken eingedeckt, das Geschirr ist mit dem DB-Logo bedruckt.

Ein Koch ist nicht an Bord, die Mitarbeiter wärmen die vorgefertigten Speisen auf, wie im Flugzeug. Das vegetarische Curry mit Reis (9,90 Euro) ist für Systemgastronomie geschmacklich gut, ebenso die Currywurst mit Pommes (6,90 Euro). Warum das Curry mit Kokosraspeln dekoriert ist und die Currywurst mit zerbröselten Tacos, bleibt allerdings ein Rätsel.

Essen in Speisewagen der Deutschen Bahn
Quelle: Antonia Aravena

Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um das „gewisse Etwas“, mit dem die DB ihre Küchenphilosophie bewirbt. Der Milchreis (3,90 Euro) erinnert eher an Pudding mit Reisstückchen, hier wäre mehr Reis als „gewisses Etwas“ sicher eine Verbesserung.

Bewertung: 4 von 5 Currywürsten (sofern vorrätig)

Polnische Staatsbahn: der Piroggen-Express

Anzeige

Der Berlin-Warszawa-Express verkehrt mehrmals täglich zwischen der deutschen und der polnischen Hauptstadt, alle Waggons werden von der polnischen Staatsbahn PKP betrieben, auch der Speisewagen: Klappsitze in rotem Velours, Holztische mit weißem Läufer in der Mitte, die Wände weiß, Gepäckablagen über den Köpfen wie im Abteil.

Während unserer Testfahrt ist der Kühlschrank ausgefallen. „Heute keine kalten Getränke“, sagt der Kellner. Dafür ist die Auswahl an kalten und warmen Speisen groß, die in der Bordküche – wie bei den Tschechen – frisch zubereitet werden.

Essen in polnischem Zug
Quelle: Antonia Aravena

Der bestellte griechische Salat kommt schnell und sieht gut aus, allerdings gibt es kein Dressing, dafür sehr viel Öl. Das Servieren der russischen Piroggen dauert länger. Sie sind mit glasig gebratenen Zwiebeln garniert und geschmacklich ganz gut, obwohl sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, aus welchem Gemüse die Füllung besteht. Vermutlich Kartoffeln.

Essen in polnischem Zug
Quelle: Antonia Aravena

Das Schnitzel, das der Gast am Nachbartisch bestellt hat, scheint gut zu schmecken, jedenfalls wird es restlos verputzt. Mit fünf Euro pro Gericht ist das polnische Bordrestaurant günstig, aber es fehlt noch das „gewisse Etwas“.

Bewertung: 3 von 5 Piroggen

Eurostar: die rollende Snackbar ohne Pfiff

Der Eurostar ist eine gute Alternative für alle, die nicht mit dem Flieger nach London reisen und ein Umsteigen in Brüssel oder Paris in Kauf nehmen wollen. Leider führt der moderne Superschnellzug kein richtiges Restaurant, nur einen Barwagen. Gemütliches Dinieren ist hier nicht möglich, es gibt nur Stehtische und keine Sitzmöglichkeiten.

Barwagen im Eurostar
Quelle: Antonia Aravena

Die Verpflegungsmöglichkeiten sind übersichtlich: Das Bordbistro verkauft Sandwiches und Snacks. Das getestete Käse-Schinken-Sandwich wird im Toaster-Ofen warm gemacht und auf einer Pappe mit Holzbesteck serviert. Geschmacklich nichts Besonderes.

Der Schokobrownie ist essbar, aber kein Highlight. Besonders sind dagegen die Preise, nämlich besonders teuer – zwölf Euro für einen Snack ohne Pfiff sind an der Schmerzgrenze kalkuliert.

Esse im Eurostar Eurostar
Quelle: Antonia Aravena

Wer den Tee (im Pappbecher) ohne Plastikdeckel ordert, bekommt trotzdem einen Deckel aufgedrückt. Der Mann hinter dem Tresen sagt, er habe Bedenken, dass das heiße Wasser bei einer Bremsung auskippen könnte. Größter Vorteil der Eurostar-Fahrt: Sie ist schnell vorbei, inklusive Kanaltunnel-Durchquerung dauert sie nur etwas mehr als zweieinhalb Stunden.

Bewertung: 1,5 von 5 Brownies

Deutsche Bahn stellt Zehntausende neue Mitarbeiter ein

Gefühlt überall werden aktuell Stellen gekürzt: 10.000 möchte Daimler einsparen, knapp 9.500 bei Audi – doch nicht so bei der Deutschen Bahn. Hier soll eingestellt werden und das nicht zu knapp.

Quelle: WELT/Nadine Jantz

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

WELT AM SONNTAG vom 15. Dezember 2019
Quelle: WamS

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema