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Deutschland Bilanz und Ausblick

Was der Milliardenverlust der Bahn für die Reisenden bedeutet

Politikredakteur
Deutsche Bahn meldet für 2023 Milliardenverlust

Hohe Kosten für Bau, Energie und Personal, gestiegene Zinsen und mehrere Streiks haben bei der Deutschen Bahn im vergangenen Jahr für einen Milliardenverlust gesorgt: Der Konzernverlust lag im vergangenen Jahr bei 2,4 Milliarden Euro, wie das Staatsunternehmen nun bekannt gab.

Quelle: WELT TV

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Unerfüllte Versprechen und eingetroffene Befürchtungen: Die Deutsche Bahn AG verbucht im vergangenen Jahr einen Milliarden-Verlust, noch weniger Pünktlichkeit und steigende Schulden. Pläne für Ausbau und Sanierung stehen nun infrage. Und dann droht auch noch Ungemach aus Brüssel.

Unpünktlichkeit ist bei der Deutschen Bahn AG kein neues Problem. Schon im Jahr 2022 hatte der Anteil der Züge, die im Fernverkehr mit weniger als sechs Minuten verspätet waren, nur 65,2 Prozent betragen. Daraufhin gab die DB Anfang 2023 das Ziel aus, die Pünktlichkeitsquote im Laufe jenes Jahres auf immerhin 70 Prozent zu steigern. Aber bei der DB-Bilanzpressekonferenz am Donnerstag in Berlin musste Vorstandschef Richard Lutz eingestehen, dass das Versprechen für 2023 nicht eingehalten worden, ja, dass die Pünktlichkeit im vergangenen Jahr sogar noch weiter zurückgegangen war, auf nur 64 Prozent im Fernverkehr.

Das ist nicht das einzige verfehlte Ziel. So hieß es vor einem Jahr, dass die Güterverkehrssparte DB Cargo, die 2022 einen Verlust von 665 Millionen Euro erwirtschaftet hatte, 2023 bloß 225 Millionen Miese machen solle. Tatsächlich wurde es bei DB Cargo im vergangenen Jahr beim bereinigten Finanzergebnis ohne Zinsen und Steuern ein Minus von 495 Millionen Euro. Ergänzt werden unerfüllte Versprechen durch eingetroffene Befürchtungen: Wie erwartet hat sich der Verlust im Jahresergebnis des Staatskonzerns 2023 auf 2,35 Milliarden Euro belaufen – nach 227 Millionen 2022. Die Netto-Finanzschulden wuchsen 2023 gegenüber dem Vorjahr um gut 17 Prozent auf 33,9 Milliarden Euro.

Folglich muss auf eine finanzielle Konsolidierung der DB noch länger gewartet werden. Und auch auf Entscheidungen über Bauvorhaben. So ist weiterhin unklar, ob der Tiefbahnhof Stuttgart 21, dessen Gesamtkosten auf mindestens elf Milliarden Euro angestiegen sind, wirklich im Dezember 2025 in Betrieb gehen kann. Zwar sagte DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber bei der Pressekonferenz am Donnerstag, dass man „die Eröffnung Ende 2025“ anstrebe. Aber „wie die konkrete Ausgestaltung dessen aussieht, das besprechen wir erst mit den Projektpartnern“, fügte Huber einschränkend mit Blick auf die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg hinzu, wo die Sorgen wegen weiterer Verzögerungen wachsen.

Gar keine Festlegung traf Huber bei der Frage, ob die DB angesichts der immer knapper werdenden Mittel im Bundeshaushalt noch Ausbauvorhaben umsetzen will, die vielerorts bisher als notwendig für ein leistungsfähigeres Schienennetz angesehen werden. „Wir planen alles wie bisher weiter“, sagte Huber. Prioritäten bei den einzelnen Vorhaben setze man dann, „wenn es geboten ist“. So bleibt weiter offen, ob und wie das Schienennetz ausgebaut werden soll.

Während somit die Anforderungen an geduldiges Abwarten immer größer werden, beschwor Vorstandschef Lutz in einem Punkt die Notwendigkeit von „viel Mut und Risikobereitschaft“. Er bezog dies auf die im Sommer beginnende Generalsanierung von 40 stark frequentierten Streckenabschnitten, die nach und nach bis 2030 jeweils monatelang für Reparatur und Modernisierung gesperrt werden sollen. Lutz gab zu, dass es „Menschen“ gebe, „die daran zweifeln, ob wir in der Lage sind, die Generalsanierung in ihrer Komplexität zu stemmen“.

Offen ist jedenfalls, ob die Finanzierung der Generalsanierung zu stemmen ist, für die überschlägig insgesamt mindestens 60 Milliarden Euro bis 2030 zu veranschlagen sind. Schon bis 2027 klafft zwischen dem von der DB bisher genannten Finanzbedarf für das Netz und den derzeit absehbaren Zusagen des Bundes eine Lücke von 16 bis 18 Milliarden Euro. Und was danach noch möglich ist, steht in den Sternen. Schon für den kommenden Bundeshaushalt 2025 hat Finanzminister Christian Lindner dem Verkehrsministerium unter Volker Wissing (beide FDP) laut „Bild“-Zeitung eine vorläufig Einsparvorgabe von mehr als fünf Milliarden Euro gemacht, die auch die Schienenfinanzierung betreffen dürfte.

Doch noch bevor an künftige Zahlungen zu denken ist, will die DB erst einmal noch vom Bund Geld zurückhaben. Denn das Minus der DB im Jahr 2023 entstand laut Lutz auch dadurch, dass die DB bei ihren eigenen Rekordinvestitionen für das Netz in Höhe von 7,6 Milliarden Euro in Vorleistung für den Bund gegangen sei, der von jenem Betrag rund eine Milliarde Euro hätte zahlen müssen. Ob und wann die Bahn mit der Erstattung rechnet, sagte Lutz nicht.

Ein weiterer Grund für das Minus der DB ist, dass die Logistiktochter des Staatskonzerns, DB Schenker, im vergangenen Jahr nur noch 1,1 Milliarden Euro Gewinn machte und somit die Verluste der anderen DB-Sparten weniger stark als 2022 ausgleichen konnte, als Schenker noch einen Rekordgewinn von 1,8 Milliarden Euro erzielte. Dass der Schenker-Gewinn sinkt, erhöht nun den Druck für einen baldigen Abschluss des Schenker-Verkaufs, der nach derzeitigem Plan zwölf bis 15 Milliarden Euro bringen und im Laufe dieses Jahres abgeschlossen werden soll.

Kein Grund für das Minus ist die Nachfrage der Reisenden. Insgesamt waren 1,8 Milliarden Menschen mit der Bahn unterwegs. Im Fernverkehr verzeichnete die DB 2023 eine Verkehrsleistung sogar über dem Vor-Corona-Niveau von 2019. Doch während auch bei DB Regio im Nahverkehr die Zahlen stiegen, sind sie bei DB Cargo, das im Güterverkehr rund 40 Prozent Marktanteil hat, gesunken: DB Cargo beförderte elf Prozent weniger Güter und ließ pro Tag fast 14 Prozent weniger Züge als im Vorjahr fahren.

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Laut Güterverkehrsvorständin Sigrid Nikutta ist der Grund dafür „überwiegend konjunktureller Natur“, weil die DB-Hauptkunden in der Stahl- und Chemieindustrie rezessionsbedingt weniger zu transportieren hätten. Allerdings sagte Nikutta auch, dass DB Cargo „nicht verpflichtet“ sei, „verlustträchtige Leistungen“ zu fahren. Damit ließ sie durchblicken, dass man manchen Auftrag ablehnt, wenn er sich nicht rechnet.

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Wenn somit aber DB Cargo faktisch privatwirtschaftlich agiert, kann sich die Frage stellen, warum der Staat über die staatseigene DB überhaupt ein Güterverkehrsunternehmen braucht. Diese Frage ist deshalb relevant, weil sie auch die EU-Kommission stellt. Sie stößt sich daran, dass die Verluste von DB Cargo in den vergangenen Jahren jeweils vom Staatskonzern ausgeglichen wurden, und sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber den vielen Konkurrenten im Schienengüterverkehr.

Deshalb hat die Kommission ein formelles Prüfverfahren gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Das Verfahren könnte dazu führen, dass die DB mindestens Teile von DB Cargo an die Konkurrenten abgeben muss. Die Wahrscheinlichkeit dessen wird nicht gerade geringer, wenn Nikutta offen zu erkennen gibt, dass DB Cargo genauso privatwirtschaftlich agiert wie alle anderen in der Branche – deren Verluste die DB aber nicht ausgleicht.

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