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Wenn die chinesische Polizei legal in der EU patrouilliert

Xi Jinping (r.) begrüßt im Oktober 2023 Viktor Orbán (l.), Ministerpräsident von Ungarn, beim Seidenstraßen-Gipfel in Peking Xi Jinping (r.) begrüßt im Oktober 2023 Viktor Orbán (l.), Ministerpräsident von Ungarn, beim Seidenstraßen-Gipfel in Peking
Xi Jinping (r.) begrüßt im Oktober 2023 Viktor Orbán (l.), Ministerpräsident von Ungarn, beim Seidenstraßen-Gipfel in Peking
Quelle: dpa
Nahezu unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit hat Ungarn ein neues Abkommen mit Peking geschlossen. Vieles deutet darauf hin, dass es Chinas Sicherheitskräften ermöglichen könnte, ihre Überwachung auf die EU auszudehnen. Neben der Kontrolle seiner Bürger verfolgt Peking ein zweites Ziel.

Als der belarussische Diktator Lukaschenko im Jahr 2021 ein Flugzeug von Ryanair zur Zwischenlandung in Minsk zwang, um einen Oppositionellen zu verhaften, ging ein Aufschrei durch Europa. Die freie Welt müsse Dissidenten vor ihren autokratischen Herkunftsländern schützen, hieß es. Doch schon bald könnte China, die mächtigste Autokratie der Welt, in einem EU-Land Zugriff auf andersdenkende Staatsbürger bekommen.

Weitgehend unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit hat Ungarn ein neues Abkommen mit Peking geschlossen, das eine „Zusammenarbeit in Justiz- und Sicherheitsfragen“ vorsieht. Im Februar traf Chinas Minister für Öffentliche Sicherheit, Wang Xiaohong, in Budapest den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán und Innenminister Sandor Pinter. Er hoffe auf „vertiefte Kooperation im Bereich Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung“, sagte Wang und sprach von einem „neuen Höhepunkt“ der Beziehungen.

Das EU- und Nato-Mitglied Ungarn sucht seit Jahren die Nähe zu Russland und China. Bisher ging es vor allem um Wirtschaftsbeziehungen. Ungarn war das erste EU-Land, das der chinesischen „Neuen-Seidenstraßen-Initiative“ beitrat, über die Peking mit Auslandsinvestitionen seinen Einfluss erhöhen will.

China plant in Ungarn mehrere Milliardenprojekte, darunter eine Eisenbahnlinie, Fabriken für die E-Auto-Industrie und einen Campus der Shanghaier Eliteuniversität Fudan. Im Herbst nahm Viktor Orbán als einziger EU-Staatschef an einem „Neue Seidenstraße“-Forum in Peking teil.

Chinas Bürger werden weltweit ausspioniert

Das jetzt geschlossene Abkommen geht weit über den Wirtschaftsbereich hinaus. Offizielle Stellungnahmen klingen vage und wurden erst Tage nach dem Treffen in Budapest veröffentlicht. Vieles spricht aber für eine Ähnlichkeit zu einem Abkommen, das China bereits außerhalb der EU mit Serbien geschlossen hat. Dort durften chinesische Polizisten bereits offiziell durch Städte patrouillieren, um bei chinesischen Touristen beliebte Gegenden zu überwachen.

Kritiker befürchten, dass solche Kontrollen künftig auch auf ungarischem Boden stattfinden. „Mit den chinesischen Investments kommen auch viele chinesische Staatsbürger nach Ungarn. Und diese Menschen müssen aus Sicht des chinesischen Staates überwacht werden“, sagte der Investigativjournalist und Experte für ungarisch-chinesische Beziehungen, Szabolcs Panyi. Es sei „naheliegend“, dass China dafür einen Rahmen schaffen wolle.

Dass die Kommunistische Partei weltweit ihre Bürger ausspioniert, ist kein Geheimnis. Im Jahr 2022 hatte die Menschenrechtsorganisation „Safeguard Defenders“ offengelegt, dass China dafür ein internationales Netzwerk aus illegalen Polizeistationen betreibt. Ziel dieser Schattenbehörden: Chinesen im Ausland zu kontrollieren, einzuschüchtern und mitunter zurück nach China zu bringen.

Von den mehr als 100 entdeckten Stationen fanden sich etliche auf europäischem Boden; die meisten davon in Italien, das später seinen Rückzug aus dem „Neue Seidenstraße“-Projekt bekannt gab.

Während die EU seit dem Angriff auf die Ukraine und dem Schock über die Abhängigkeit von russischem Gas Maßnahmen diskutiert, unabhängiger auch von China zu werden, baut Ungarn seine Beziehungen weiter aus. Viktor Orbáns Strategie ist, sich in der neuen Konfrontation zwischen dem Westen und dem Block aus China und Russland nicht auf eine Seite zu schlagen, sondern zu einer Art Brücke zu werden – um sich selbst Vorteile und Einfluss zu sichern.

Ungarn wird für Peking immer wichtiger

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Für China wiederum ist Ungarn ein Werkzeug, um auf den wichtigen Handelspartner EU einwirken zu können. Viktor Orbán hat immer wieder seine Veto-Macht genutzt, um in Brüssel Maßnahmen gegen China zu blockieren oder abzuschwächen. Seit sich immer mehr Staaten aus Chinas „17+1“-Dialogformat mit mittel- und osteuropäischen Staaten zurückziehen, wird Budapest für Peking noch wichtiger.

„Ungarn und China haben sich stets respektiert, unterstützt und ebenbürtig behandelt“, sagte Orbán laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zum neuen Sicherheitsabkommen. Von Ebenbürtigkeit kann jedoch kaum die Rede sein, vielmehr läuft Ungarn Gefahr, sich von China abhängig zu machen. Chinesische Projekte im Ausland werden unter Bedingungen umgesetzt, die Peking diktiert.

Planung und Umsetzung übernehmen in der Regel chinesische Unternehmen, oft mit Baumaterial und Arbeitern aus China. Der ungarische Staat hat zudem mehrfach Sicherheitssysteme, etwa Kameras zur Überwachung, bei chinesischen Unternehmen bestellt – deren Instandhaltung nur über Kooperation mit Peking läuft. Ungarn setzt zudem stark auf den chinesischen Telekommunikations-Konzern Huawei, der in den USA als Sicherheitsrisiko auch für mögliche Wirtschaftsspionage gesehen wird.

In einem Punkt war Viktor Orbán seinen westlichen Partnern zuletzt aber entgegengekommen: Er machte den Weg für den Nato-Beitritt Schwedens und ein 50-Milliarden-Hilfspaket für die Ukraine frei. Dies könnte ein Grund sein, warum Ungarns anstehende Sicherheits-Kooperation mit China bisher kaum Kritik aus Brüssel nach sich zog.

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