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Fack ju, Constantin

Filmredakteur
Showdown um die Constantin: Szene aus ihrer Produktion „Der Baader Meinhof Komplex“ Showdown um die Constantin: Szene aus ihrer Produktion „Der Baader Meinhof Komplex“
Showdown um die Constantin: Szene aus ihrer Produktion "Der Baader-Meinhof-Komplex"
Quelle: pa / dpa
Constantin Film ist Deutschlands wichtigste und erfolgreichste Produktionsfirma. Deshalb soll sie gegen ihren Willen verkauft werden. Am Mittwoch fällt die Entscheidung.

Eigentlich könnte man sich geschmeichelt fühlen, wenn die wichtigsten Konkurrenten bei einem anrufen und besorgt fragen, wie es dir geht. In der Tat meldeten sich in den letzten Wochen interessierte Kollegen von Warner oder Disney oder der Fox bei der Münchner Constantin und erkundigten sich, wie das denn mit dem Verkauf sei. Alle erhielten die gleiche Auskunft: Wir wollen nicht verkauft werden. Die Entscheidung soll am Mittwoch fallen.

Um die Bedeutung der Constantin zu begreifen, muss kurz die Statistik bemüht werden. Unter den 25 erfolgreichsten Kinofilmen der vergangenen zehn Jahre waren zehn im Verleih der Constantin. Von den zehn erfolgreichsten deutschen Filmen der letzten zwei Jahrzehnte wurden sechs von der Constantin produziert. „Fack ju Göhte“, „Er ist wieder da“, „Frau Müller muss weg“, „Die Päpstin“, „Der Baader-Meinhof-Komplex“, „Die Welle“, „Das Parfum“, „Der Schuh des Manitu“ – alles Constantin-Produktionen, und die Reihe ihrer Erfolge reicht zurück bis zum „Namen der Rose“ und der „Unendlichen Geschichte“ in Bernd Eichingers Zeiten.

Die Constantin besaß in den von den 68ern dominierten Kreisen des Neuen Deutschen Films und der Kritik keinen guten Ruf, sie war zu Mainstream. Daran haftete ein Hautgout. Small war beautiful, Kunst war beautiful, kritisch war beautiful. Die Constantin war nicht beautiful.

Einst war die Constantin der Szene zu mainstream

Doch die Verhältnisse, sie sind nicht mehr so. Was einmal small war, ist jetzt ganz small (wenn es überhaupt noch existiert). Was einmal Filmkunst war, wurde an die Ränder des Kinos abgedrängt (oder gleich ganz in die Kunstszene). Was einmal einen großen Namen in der deutschen Filmszene hatte, ist entweder dem Größenwahn der New Economy zum Opfer gefallen (Senator Film), oder ins Fernsehen abgewandert (Ziegler Film) oder in die internationale Szene migriert (Road Movies) oder an Multis verkauft (Kinowelt).

Der Vergleich mit der einst so vielfältigen deutschen Verlagsszene drängt sich auf. Auch dort sind selbstständige Verlage mit einem einigermaßen erheblichen Marktanteil inzwischen Mangelware; internationale Konzerne haben das meiste aufgekauft und leisten sich den Luxus, die altehrwürdigen Verlagsnamen als Maskottchen zu erhalten.

Deshalb war der Suhrkamp-Machtkampf von überragender Bedeutung. Unabhängig davon, ob der Verlag optimal geführt wurde, wäre dieses fragile Gleichgewicht aus Kultur und Kommerz bei der Übernahme durch den Minderheitsgesellschafter zur reinen Geldmelkmaschine geworden, einem Spielball für Investoren, die darauf gepfiffen hätten, ob dort Peter Handke oder Dan Brown publiziert wird (und im Zweifel lieber Brown).

Die Causa Suhrkamp wiederholt sich bei Constantin

In gewisser Weise wiederholt sich nun die Causa Suhrkamp bei Constantin. Der einzig verbliebene wichtige deutsche Filmproduzent (abgesehen vom Sonderfall X-Filme) soll verscherbelt werden. Man könnte auch das Wort verschachert anwenden, beiden wohnt dieselbe Wertung inne: Der Verkauf geschähe nicht zum Wohl der Firma oder ihrer Mitarbeiter oder eines gesellschaftlichen Diskurses, sondern zum Nutzen abstrakter, undurchschaubarer Finanzinteressen.

An dieser Stelle müssen wir kurz in die Verzweigungen einer Firmenstruktur einsteigen. Die Constantin Film gehört schon länger nicht mehr sich selbst, sondern wechselnden Aktieneignern, darunter einst auch die selige Kirch-Gruppe. Seit der Jahrhundertwende hat sich der Schweizer Medienkonzern Highlight Communications immer stärker eingekauft, heute besitzt er sämtliche Anteile.

Fack Ju Göhte
Was, ihr wollt uns verkaufen? Szene aus der Constantin-Produktion "Fack Ju Göhte"
Quelle: pa/obs/© 2013 CONSTANTIN FILM VE

Das Problem liegt darin, dass die Constantin Film inzwischen Teil einer Dachgesellschaft namens Constantin Medien ist, zu der auch Firmen wie Plazamedia und Sport 1 gehören, die Sportereignissen vermarkten. Die sogenannte Medien ist nach dem Verlust ihres wichtigsten Kunden Sky in schwere Wetter geraten; auf einer Betriebsversammlung wurde angekündigt, dass 50 Mitarbeiter (ein Viertel der Belegschaft) gehen sollen.

50 Mitarbeiter müssen bei der Muttergesellschaft gehen

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Nun besteht die Idee der Medien-Macher – die alten Kirch-Fahrensleute Dieter Hahn und Fred Kogel – darin, das Tafelsilber zu vergolden, um ihr sinkendes Schiff zu retten. Und die Constantin Film ist einiges Edelmetall wert, sie trägt mit 250 Millionen Euro mehr als die Hälfte zum Umsatz der Mutter bei und mit 28 Millionen zwei Drittel des Gewinns. Nächstes Frühjahr, wenn der sechste „Resident Evil“ anläuft, wird die Constantin die erste nicht amerikanische Firma sein, die mit einer Kinoserie mehr als eine Milliarde Dollar eingenommen hat. Die Rechte am Namen Constantin besitzt sie übrigens auch.

Kein Wunder, dass die Majors und die Minimajors sich völlig uneigennützig in der Münchner Feilitzschstraße erkundigen, wie die Sache steht. Denn die Constantin hat seit der Jahrhundertwende auch eine Struktur aufgebaut, die wie eine modernisierte Version des alten Studiosystems anmutet: Man bindet große Talente wie Bora Dagtekin, Elyas M’Barek oder Christian Ditter mit langfristigen Verträgen und bietet ihnen den Freiraum, originelle Projekte zu entwickeln.

Heute um 10 Uhr treffen sich die Anteilseigner zur Hauptversammlung am Münchner Nockherberg, dort, wo beim Oktoberfest der Starkbieranstich stattfindet. Hahn und Kogel wollen das Mandat zum Verkauf, der Highlight-Chef Bernhard Burgener verweigert sich dem. Eine erste Versammlung im Juni endete wegen unklarer Stimmrechte im Chaos.

Die erste Hauptversammlung endete im Chaos

Dies ist keine Belegte-Schnittchen-Hauptversammlung wie die meisten anderen. Vielmehr geht es darum, ob die letzte marktrelevante deutsche Filmproduktion, die sich ein Bewusstsein dafür bewahrt hat, dass sie auch ein verantwortlicher Teil dieser Gesellschaft ist, zum Renditeobjekt degradiert wird. So ändern sich die Zeiten. Wer hätte gedacht, dass man sich einmal für die Constantin in die Bresche werfen würde.

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