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Kultur Netflix-Serie „Das Signal“

Hier erreicht die deutsche Serie ganz neue Dimensionen

Redakteur Feuilleton
Yuna Bennett (Charlie) und Peri Baumeister (Paula) Yuna Bennett (Charlie) und Peri Baumeister (Paula)
Yuna Bennett (Charlie) und Peri Baumeister (Paula)
Quelle: Netflix/Anika Molnar
Seit „Raumschiff Orion“ hat es das nicht mehr gegeben: Ein Mehrteiler aus Deutschland, der im All spielt. In der Netflix-Serie „Das Signal“ macht eine Astronautin in der ISS eine Entdeckung. Die hat Folgen für ihre Familie und die Menschheit.

Eines der vielen eher besorgniserregenden Phänomene der zurückliegenden Berlinale war die merkwürdige Häufung von Filmen, denen die ohnehin problematische Welt der Gegenwart nicht genug war. Die von Invasionen der Außerirdischen erzählten und verloren gegangenen Astronauten.

Und so viele Geschichten mit Körperfressern gab‘s, von Wesen aus den Weiten des Weltraums und der Zukunft, die von menschlichen Körpern Besitz ergriffen, dass man sich irgendwann nicht mehr so sicher war, wer im Kino gerade neben einem saß. Und ob man es lebend und als der verlassen würde, als der man hineingekommen war.

Das All und die nahe Zukunft waren für die Geschichten dabei eigentlich – abgesehen davon, dass Geschichten, die irgendwo in der Schwerelosigkeit zwischen hier und Beteigeuze spielen, einfach besser aussehen – völlig überflüssig. Was natürlich einen Markenkern des Genres ausmacht, das gern bloße Projektionsfläche ist für Parabeln auf die unmittelbare und heillose wirkliche Wirklichkeit. Ins All und in die Zukunft um die Ecke hätte das alles nicht unbedingt verlegt werden müssen.

Einsamkeitsstudien waren das, herzige Beziehungsgeschichten, die – auf Rügen gedreht statt am Saum eines Nebels kurz vor dem Jupiter – ganz gut ins öffentlich-rechtliche Herzkino am Sonntagabend gepasst hätten. Politik wurde keine betrieben. Und wo sie (in der Vorlage) eigentlich angelegt war – wie in der Netflix-Herzkino-Schmonzette „Spaceman“ mit Adam Sandler und Carey Mulligan nach einem Roman von Jaroslav Kalfar – wurde sie in den Weiten des Transformationstransittraumes zwischen Literatur und Kino einfach so verschwinden lassen.

Das Problematischste an der Zukunft der Berlinale (eigentlich an der Zukunft auf der Berlinale) war allerdings, dass sie so langweilig aussah und sich anfühlte, dass man am Ende keine rechte Lust mehr auf sie hatte.

Womit wir jetzt endlich bei „Das Signal“ wären. Das ist eine neue Netflix-Serie, in der gleich alles angelegt ist, was in den Bären-Visionsfilmen an Themen und Geschichten verspielt wurde. Und in die man sich in der Ahnung, dass dabei nur ein irgendwie olivgrüner, fad schmeckender Genremixsmoothie herauskommen kann, mit einem schalen Vorgefühl begibt.

Flüchten durchs Maisfeld: Florian David Fitz und Yuna Bennett
Flüchten durchs Maisfeld: Florian David Fitz und Yuna Bennett
Quelle: Netflix/Anika Molnar

Es geht um Verlorenheit und um Liebe, es geht um Außerirdische und Astronauten, es geht um die Zukunft der Menschheit und den Preis, der dafür zu zahlen ist. Es wird sogar Politik getrieben, Verschwörungstheorien schlagen Kobolz.

Und dann kommt die Sci-Fi-Mystery-Serie – was das schale Vorgefühl unbedingt verstärkt – auch noch aus Deutschland. Gefühlt seit „Raumschiff Orion“, eine Serie in Schwarz-Weiß, an die sich selbst die Eltern der Generation Z nur schwer erinnern können, hat es das nicht mehr gegeben. Weil kein Mut oder kein Geld da war, oder es an beidem fehlte.

Trailer zu "Das Signal"

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Beim „Signal“ war das jetzt alles augenscheinlich in ausreichendem Maße vorhanden. Was – das schon einmal jetzt zur Beruhigung aller Deutschland-Sci-Fi-Film-Skeptiker – zumindest dazu führte, dass der so weiträumig wie knapp geschnittene Vierteiler tatsächlich schon im Reich der Bilder kaum Vergleiche zu scheuen braucht mit ungleich teureren Produktionen fürs Kino.

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Und die Geschichte, von der man gar nicht wissen muss, dass sie natürlich ursprünglich auch mal als Parabel angelegt war, als Parabel auf die Flüchtlingskrise und die allmählich ausflockende Willkommenskultur in der Welt – die Geschichte hält mit den Bildern mit.

Man muss sie sich vorstellen, wie das Brettspiel, das Paula, Sven und Charlie – eine urdeutsche Rama-Familie – besonders gern spielen und das die gehörlose Charlie, eigentlich Carlotta, ungefähr neun Jahre ist sie alt, deswegen gewinnt, weil Mutter Paula sich nicht vorstellen kann, dass sie so hinterhältig denkt, wie sie es muss, um zu gewinnen. „Hase und Fuchs“ heißt das Spiel. Es geht ums Hakenschlagen als einzige Überlebensmethode des Hasen. Wer die Hasen sind in „Das Signal“ ist relativ rasch klar. Das mit den Füchsen ist eher unübersichtlich.

Also. Charlie ist klein, aber clever, Sven ist Geschichtslehrer, trägt gern Basecap zum schluffigen Wolljanker und ist ein kluger Kuschelbär von Vater, wie ihn gegenwärtig nur Florian David Fitz spielen kann (der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat), Paula ist Astronautin. Eingekauft in eine ISS-Mission wurde sie von einer philanthropischen Nobelpreisträgerin (eine Art indischer Schwester des Mikrokreditgurus Muhammad Yunus), die mehr mildklingende Weisheiten von sich gibt als anderthalb Packungen Glückskekse – was sie natürlich sehr verdächtig macht.

Auf der ISS soll Paula forschen, so der offizielle Plan, wie man den Tod von Zellen aufhalten oder gar rückgängig machen kann, vor allem von Gehörzellen, was natürlich nicht ganz uneigennützig ist, weil es Charlie helfen könnte.

Es geht – das nebenbei – in den vier Stunden, die man dem „Signal“ unbedingt geben sollte, vor allem ums Hören, ums Zuhören, ums Verstehen von dem, was man hört, ums Senden und ums Empfangen.

Der Hase und der Fuchs

Paula jedenfalls empfängt was aus den Fernen des Alls. Im Funkschatten der Erde. Sie nimmt es auf. Und dann kommt sie zurück, landet in der chilenischen Atacama-Wüste, beinahe wäre alles schiefgegangen, weil Paula, eine Psychotikerin, die eigentlich nie hätte ins All dürfen, anscheinend eine Blockade hat in dem Moment, in dem sie in die Erdatmosphäre eintritt und die Landefallschirme öffnen müsste.

Kaum auf der Erde telefoniert sie mit Sven – er hat, das ist ziemlich wichtig, ein uraltes Mobiltelefon, mit dem man außer telefonieren fast nichts machen kann –, redet in Rätseln, erzählt vom Hasen und dem Fuchs und wird offensichtlich abgehört. Einen Tag später ist sie tot, weil das Flugzeug, das sie von Chile nach Hause bringen sollte, vom Radar verschwindet. Gut 180 Menschen sterben.

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Nadine Gottmann, Kim Zimmermann und Florian David Fitz lassen die Raum- und Zeit- und Themen-Ebenen, mit denen sie in ihrem Drehbuch spielen, auf verblüffend perfekte Weise immer im richtigen Augenblick und immer kurz bevor alles aufgebläht und konstruiert wirkt, Haken schlagen. „Das Signal“ ist wie ein Blick in ein mustergültig sich immer wieder neu zusammensetzendes Kaleidoskop, dessen wirkliches, eigentliches Bild erst ganz zum Schluss enthüllt wird.

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Die Erzählökonomie kann einen geradezu glücklich machen. Zumal es nie kalt wird in den auch philosophisch und historisch weiten Räumen, durch die „Das Signal“ hallt. Weil eine unheimliche Wärme von Paula und Sven und Charlie ausgeht, Peri Baumeister und Florian David Fitz und der ganz wunderbaren Yuna Bennett.

Um sie herum kreist im Cast ein ziemlich großes System von Sternen – Katharina Thalbach, Meret Becker, Uwe Preuss, Katharina Schüttler. Und allesamt nutzen sie die wenige Zeit, die ihnen oft bleibt, zu feinen Charakterstudien.

Nichts kann man dem „Signal“ übelnehmen. Nicht die Karikatur eines US-Astronauten, den jeder ziemlich schnell aus der Raumstation geschubst hätte. Nicht die paar Erklärbärdialoge und Sentenzen („Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende“ – Oscar Wilde). Nicht mal die Botschaft, die es tatsächlich gibt.

Ist da draußen wer? Yuna Bennett als Charlie
Ist da draußen wer? Yuna Bennett als Charlie
Quelle: Netflix/Anika Molnar

Die hat mit der Voyager zu tun. Und mit der goldenen Schallplatte, die Voyager aus dem Kalten Krieg ans hoffentlich friedlichere Ende des Sonnensystems zu den Wesen weit draußen bringen sollte. Mit besten Grüßen in Russisch und Englisch und Deutsch, mit Edda Mosers Königin-der-Nacht-Arie, mit allerlei anderen kulturellen und wissenschaftlichen Leistungsbeweisen. Eine friedliche Handreichung aus kriegerischen Zeiten.

Sie hätten uns für glückliche, feine Wesen gehalten, die Außerirdischen. Was wohl wäre, wenn sie jetzt kämen, in diesen Wahnsinn, und uns selbst die Hand reichten? Wer weiß. Am Ende der vier Folgen, die mal „Hello“ heißen sollten, fängt man an, es zu ahnen.

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