Blake Lively trägt Pumpkin Spice Latte Nails! Die News machte vor ein paar Tagen von „Vogue“ bis ProSieben die Runde, nachdem die 36-jährige Schauspielerin mit ockerbraun lackierten Fingernägeln bei der Modenschau von Michael Kors aufgetaucht war. Klingt im ersten Moment völlig nebensächlich, ist es aber nicht. Denn egal, wo Menschen aktuell auch nur die Spur einer Herbstfarbe sehen, sie haben inzwischen gleich das berühmte Kaffeemix-Getränk der Coffeeshop-Kette Starbucks im Kopf. Pumpkin Spice Latte ist zu einem riesigen Konsum-Phänomen geworden.
Vor 20 Jahren wurde der Drink zum ersten Mal verkauft. Sein Rezept sieht Espresso, viel Milch, Kürbisaroma und Pumpkin Spice vor. Mit dieser Gewürzmischung aus Nelken, Zimt und Muskatnuss versüßen US-Amerikaner im Herbst und vor allem an Thanksgiving ihren Kürbiskuchen, weshalb die Saison für den Pumpkin Spice Latte (PSL) traditionell von Ende August bis November geht.
Merke: Der Drink ist immer nur für kurze Zeit erhältlich. Er markiert das Ende des Sommers – wie buntes Herbstlaub und Kastanienmännchen – und den Beginn der kühlen Jahreszeit mit den wichtigsten Feiertagen und den kuscheligsten Familienfesten. Thanksgiving bedeutet den meisten Amerikanern mehr als Weihnachten. Das lädt den Pumpkin Spice Latte emotional enorm auf.
Der Geschmack des Kaffeegetränks fällt in erster Linie nektarisch-künstlich aus. Das liegt daran, dass in einem halben Liter rund 50 Gramm Zucker enthalten sind. Er macht süchtig wie Cola – und ist nun auch noch dabei, so erfolgreich zu werden: Bis heute hat Starbucks über 600 Millionen Pumpkin Spice Lattes verkauft. Nicht mitgerechnet sind kalte Varianten wie der Iced Pumpkin Spiced Latte oder der Pumpkin Spice Frappuccino, die es aktuell vom PSL gibt. Diese Abkürzung des Drinks verwenden seine besonders fanatischen Anhänger gern. In Internetforen kann man ihnen und ihrer Leidenschaft nachspüren. Zum Beispiel Joshua, der sich jedes Jahr extra eine elektronische Erinnerung einrichtet, damit er den offiziellen PSL-Verkaufsstart nicht verpasst. Oder Kiran, die für das richtige Aroma auf ihrer Hochzeit PSL-Duftkerzen aufstellte und als Gastgeschenk verteilte.
Längst werden die passenden Merchandise-Artikel zum Getränk verkauft. Hoodies, T-Shirts, Socken, Babystrampler sowie Notizblöcke und Stifte mit Motiven von Kürbissen und dampfenden Kaffeetassen. Duschgel, Bodylotion, Handcreme mit Kürbiskuchen-Flavour. Oder ein Ring aus Rotgold, dessen Diamanten die Sahnehaube nachbilden sollen. Der typische Begleiterscheinungs-Krimskrams eines amerikanischen Lifestyle-Trends eben.
Dass PSL nun aber auch die hohen Stilkreise erreicht? „Das Einzige, was im Herbst noch wohltuender ist als ein Pumpkin Spice Latte, sind perfekt manikürte Hände, mit denen man den Becher umklammert“, sagte Nail Artist Mazz Hanna im Interview mit der amerikanischen „Vogue“ über Blake Livelys neue Nagelfarbe.
In diesem Herbst ist eine Make-up-Bewegung entstanden, die sich dem PSL verschrieben hat. Sie lehrt, den Lidschatten und Eyeliner sowie Lippenprodukte von Konturstift bis Gloss in Braun-, Bronze- und Erdtönen aufeinander abzustimmen. Die Modewelt ist seit Mitte September wie infiziert. Grund ist schon wieder die amerikanische „Vogue“, die aus einem Outfit von Herzogin Meghan das sogenannte PSL-Dressing ableitete: Bei den Invictus Games in Düsseldorf trug die 42-Jährige an der Seite ihres Gatten Prinz Harry ein Ensemble aus einer cappuccinofarbenen Hose und einer glänzenden Bluse in Schokobraun. Bei den gerade zu Ende gegangenen Modewochen in Mailand und Paris sah mancher Gast schon PSL, sobald ein monochromes Outfit in Kaffee- oder Gewürzfarben auf dem Laufsteg vorüberzog.
Es sind in der Regel nicht die Stars, Chef-Visagisten von Beauty-Brands oder Kreativdirektoren von Modehäusern, die sich den Pumpkin Spice Latte als Inspiration vornehmen. Viel mehr ist es so, dass ihre Entwürfe und Produkte in Modemagazinen, Onlineshops und den sozialen Medien unter dem Schlagwort zusammengefasst werden – weil es gut klingt und besonders gut klickt. Laut Modesuchmaschinen wie Love the Sales sind die Anfragen nach „Pumpkin Spice Colours“ in den letzten Jahren beständig gestiegen; im Vergleich zum Vorjahr allein um 40 Prozent. Wer verstehen will, warum das so ist, muss nur einen Blick auf die Geschichte des Drinks werfen.
Sie beginnt im Frühjahr 2003 in Seattle, um genau zu sein im siebten Stock des Starbucks-Hauptquartiers. Dort liegt damals das „Liquid Lab“ der Kaffeehauskette, die Leitung über die Espresso-Getränke hat Paul Dukes. Nach einer Kundenbefragung, die ergab, dass Kürbis als Zutat für eine Kaffeeveredelung von hohem Interesse sei, experimentiert er mit seinem Team in der Versuchsküche. Ein halbes Jahr später wird der Pumpkin Spice Latte in den USA und in Kanada in 100 Stores erstmals getestet. „Ich weiß noch, wie ich Filialleiter anrief, um zu fragen, wie er ankommt“, sagt Dukes. „Die Begeisterung war in ihren Stimmen zu hören.“
2004 wird der Pumpkin Spice Latte in allen Filialen in Nordamerika verkauft. Zwei Jahre später denkt Starbucks schon darüber nach, ihn der Abwechslung halber durch ein anderes Getränk auszutauschen. Aber dann starten Facebook und Twitter – und Kunden fangen an, Bilder ihrer Pumpkin Spice Lattes zu teilen. Dukes sagt: „Mit dem Aufkommen der sozialen Medien hat das Ganze eine neue Dimension angenommen.“
2012 posten und kommentieren sich die Menschen die Finger wund, weil es zeitweise einen Lieferengpass bei den Zutaten gibt; der Begriff „Pumpkin Emergency“ macht die Runde. 2014 erhält der Pumpkin Spice Latte seinen eigenen offiziellen Account @therealpsl auf Twitter (heute X), weil es so viele Fan-Accounts gibt. 2016 ist das Jahr, in dem der Pumpkin Spice Latte zum beliebtesten Herbst-Accessoires für Blogger wird; im Netz kursieren Tausende Fotos von Händen, die sich an einer heißen Tasse mit Extra-Sahnehaube wärmen.
2020 ist der PSL schon wieder „trending“, weil erstmals mehr kalte Varianten als originale Heißgetränke verkauft werden. Ebenso 2022, als es der Begriff Pumpkin Spice – allerdings ohne Latte – ins Merriam-Webster-Wörterbuch schafft. Vergangenes und dieses Jahr wird der PSL durch Tiktok noch einmal so richtig angeheizt mit Beiträgen, die einfach nur die Vorfreude auf den Herbst und seinem wichtigsten Drink zum Ausdruck bringen sollen, oder Challenges für Eigenkreationen.
Einige User sind dabei zuletzt auf eine clevere Idee gekommen, wie ein Pumpkin Spice Latte weniger süß, aber immer noch stilecht gelingt. Einfach einen Minikürbis aushöhlen und heißen Espresso direkt aus der Siebträgermaschine hineinlaufen lassen, mit aufgeschäumter Milch auffüllen, fertig! Kein Zucker, aber viel Kaffeegenuss und herbstliches Kürbisgefühl. Fehlt nur noch das Gewürz.