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  4. Oscar-Koch Wolfgang Puck: „Das Leben ist zu kurz, um zu bremsen“

Essen & Trinken Chef-Caterer der Oscars

„Martin Scorsese bekommt auch wieder seine Nudeln mit Tomatensoße“

Seit 30 Jahren bewirtet er die Stars nach den Oscar-Verleihungen – und ist so selbst einer geworden. Der österreichische Kult-Koch Wolfgang Puck über die Wünsche von Barbra Streisand und Martin Scorsese, mit essbarem Gold überzogene Schoko-Statuen und einen Hubschrauberflug mit Pierce Brosnan.
Star-Koch Wolfgang Puck: „Es ist das erste Mal, dass wir in 3D essen“ – er kocht seit 30 Jahren bei den Oscar-Verleihungen
Star-Koch Wolfgang Puck: „Es ist das erste Mal, dass wir in 3D essen“ – er kocht seit 30 Jahren bei den Oscar-Verleihungen
Quelle: Weiss Eubanks/ NBCUniversal via Getty Images

Noch hält sich seine Aufregung in Grenzen, doch die innige Vorfreude auf das „Highlight des Jahres“ ist schon seit einigen Tagen spürbar. Nach der 96. Oscar-Verleihung in der Nacht zum Montag wird Wolfgang Puck in Hollywood wieder groß auftischen. Über 1600 VIP-Gäste hat der aus Österreich stammende Starkoch beim traditionellen Governors Ball, dem 65., mit kulinarischen Köstlichkeiten zu verwöhnen. Zu dieser wohl glamourösesten After-Show-Party der Welt versammelt sich die Prominenz im Obergeschoss des Dolby Theaters, in dem zuvor die begehrtesten Preise der Filmbranche verliehen wurden.

„Die letzten Tage sind immer besonders stressig, das Schlafen kommt dabei schon zu kurz“, sagt Puck dennoch bestens gelaunt beim Videocall aus seinem Büro in Beverly Hills. Er kann kaum erwarten, dass sich die Türen zum Bankettsaal wieder öffnen. Der 74-Jährige gilt als Perfektionist. Um die Rekordmengen an Lebensmitteln nach seinen Vorstellungen zu verarbeiten, stehen ihm über 300 Kochprofis aus seinem globalen Gastro-Imperium zur Seite. Sechs Küchenchefs sind nur dafür abgestellt, um Extrawünsche zu erfüllen. Sechs Büfetts bieten über 60 Gerichte aus erlesensten Zutaten: vom Maine-Hummer und Beluga-Kaviar bis hin zu Dover-Seezunge, Wagyū-Beef, Jidori-Hühnchen oder Perigord-Trüffel. Zwischen 37 Desserts kann gewählt werden. 2000 Flaschen edelster Champagner stehen kalt.

Wolfgang Puck passt zur Traumfabrik Hollywood, nachdem er dort vor vier Jahrzehnten mit dem „Spago“ sein erstes Lokal eröffnet hat. Der einzige Koch mit zwei Michelin-Sternen und einem Stern auf dem Hollywood-Boulevard kennt die Berühmtheiten, und alle Berühmtheiten kennen ihn. Er gibt Autogramme wie die größten Stars selbst. Wenn er diesmal zum Gala-Dinner bittet, gibt es auch für ihn etwas zu feiern – es ist sein 30-jähriges Jubiläum.

WELT: Herr Puck, steht für Sie in der Oscar-Nacht wieder ein Hubschrauber bereit?

Wolfgang Puck: (lacht) Nein, die Zeiten sind vorbei. Sie spielen auf 1995 an, als ich das erste Mal den Governors Ball ausrichten durfte.

WELT: Richtig. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Catering-Premiere?

Puck: In jenem Jahr gewann Robert Zemeckis mit seiner Tragikomödie „Forrest Gump“ gleich sechs Oscars, einen davon bekam Tom Hanks für die Titelrolle. Beste Hauptdarstellerin war Jessica Lange als Militärsgattin in dem Melodrama „Operation Blue Sky“. Und offiziell gefeiert wurde nach den Auszeichnungen in Downtown in der Ausstellungshalle neben dem Shrine Auditorium, wo damals noch die Ehrungen stattfanden. Wie in den Jahren zuvor gab es aber auch eine Feier bei mir im „Spago“. Als Gastgeber auf beiden Partys zu tanzen, war schon sehr sportlich. Es gab aber auch noch andere Herausforderungen.

Auch dieser Koch muss sich Herausforderungen stellen

WELT: Und zwar?

Puck: Einige Speisen bereiteten wir im „Spago“ zu, die dann ins 15 Kilometer entfernte Auditorium gebracht werden mussten. Das war heikel. Großes Kopfzerbrechen bereitete das Wetter. Unsere Küche vor Ort befand sich als Provisorium auf dem Parkplatz des Auditoriums. Wir kochten in einem großen Zelt. Es regnete, und der Wind blies so extrem, dass die Flammen der Gasherde immer wieder ausgingen. Dadurch wurde das Trüffel-Risotto nicht gar. Gerettet hat uns die Idee, großflächige Alufolien als Windschutz um die Herde zu legen. Von unseren Problemen bekam Gott sei Dank kein Gast etwas mit. Der Abend war letztlich so erfolgreich, dass ich noch immer das Catering machen darf.

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WELT: Aber jetzt sind Sie nur noch für den Governors Ball zuständig – oder gibt es auch noch eine private Oscar-Party im „Spago“?

Puck: Dort kann man die Preisverleihung im Streaming verfolgen und es wird auch gefeiert, aber ohne mich. Deshalb brauchen wir auch keinen Hubschrauber mehr. (lacht) Damals bin ich an dem Abend zwischen den Locations mehrmals hin- und hergeflogen, um meiner Gastgeberrolle gerecht zu werden. Bei einem Flug nach West-Hollywood waren auch James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan und seine Freundin Keely mit an Bord. Das war schon deshalb sehr aufregend, weil der Flug normalerweise nur zehn Minuten dauerte, doch durch den starken Wind drehten wir ein paar Extrarunden unter starkem Herzklopfen.

WELT: Hatten Sie das auch, als man Ihnen das Catering für den Governors Ball anbot? Ihr kulinarisches Renommee wurde in Ihrer kalifornischen Wahlheimat zwar schon lange gepriesen, doch die Amerikaner gelten als besonders patriotisch, sodass es sicher verwunderte, dass die „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“ einen Österreicher zum Oscar-Koch kürte.

Puck: Ich war sehr angespannt, denn es stand einiges auf dem Spiel. So ein riesiges Event hatte ich bislang nicht ausgerichtet, zumal unter diesen komplizierten Bedingungen. Ich wollte meinen guten Ruf nicht ruinieren und zugleich das in mich gesetzte Vertrauen rechtfertigen. In meinen Restaurants gaben sich alle Stars des Film- und Showbusiness die Klinke in die Hand. Viele gingen damals nach der Preisverleihung auch nicht mehr zum Governors Ball, stattdessen zur Party ins „Spago“, die mein Freund, der legendäre Agent Swifty Lazar, ausrichtete. Als Swifty im Dezember 1993 starb, wollte ich im „Spago“ nichts mehr veranstalten. Daraufhin fragte mich das Board of Governors der Academy mehrfach: Wollen Sie nicht das Catering für unseren Ball machen?

WELT: Warum zögerten Sie mit der Zusage?

Puck: Es war eine völlig neue Dimension, die gut überlegt sein wollte. Dass ich mich dann der Aufgabe gestellt habe, war die einzig richtige Entscheidung. Sie gab mir unendlich viel Freude, Spaß und Erfüllung. Das gilt für jeden Ball bis heute. Und daran wird sich nie etwas ändern.

WELT: Wie lange noch wollen Sie Chef-Caterer bleiben?

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Puck: Wenigstens bis zur 100. Oscar-Verleihung. (lacht) Darüber mache ich mir aber nicht wirklich Gedanken, solange ich fit und gesund bin. Vormittags drehe ich meine Runde mit dem Hund, nachmittags spiele ich Tennis. Ich habe einen Personal Trainer, der zwei-, dreimal pro Woche kommt, und ein Fitnessstudio im Haus. Von selbst werde ich von all meinen Unternehmungen sicher nie loslassen können. Warum auch? Mit jedem Tag lebe ich meine Passion neu, sie verleiht mir Kraft und Gefühle, die mich glücklich machen. Ich werde nie vergessen, wo ich hergekommen bin.

Er treibt das auf die Spitze

WELT: Was wollen Sie damit sagen?

Puck: Als ich mit 14 wegen meines tyrannischen Stiefvaters, der Alkoholiker war, von zu Hause wegging, sagte er zu mir: „Du bist zu nichts zu gebrauchen, du wirst schnell wieder zurück sein.“ Das Gleiche bekam ich etwas später in meinem Ausbildungshotel zu hören, wo der Koch mir sagte: „Geh zurück zu deiner Mutter.“ In dieser Nacht wollte ich in den Fluss springen. Ich stand lange auf der Brücke und überlegte, als mir plötzlich der Gedanke kam: „Ich werde morgen noch einmal ins Hotel gehen und sehen, was passiert.“ Von da an arbeitete ich mich langsam nach oben – wobei weitere Nackenschläge nicht ausblieben. Doch ich habe mich hochgekocht!

WELT: Erklärt das auch Ihr sonniges Gemüt?

Puck: Ganz sicher. Zumal ich seit Längerem weiß, dass mein Sohn Byron, der jetzt 29 ist und mit mir zusammenarbeitet, eines Tages meine Geschäfte fortführen wird. Das gibt mir einen zusätzlichen Energieschub, um stets etwas Neues zu machen, etwas Neues zu versuchen.

WELT: Am 8. Juli werden Sie 75.

Puck: Ja, und? Es ist doch nur eine Zahl. Das Leben ist zu kurz, um zu bremsen, oder sehen Sie das anders?

WELT: Sie sprechen mir aus dem Herzen.

Puck: Schön. Viele staunten, als ich kurz vor meinem 70. Geburtstag in Boston an der Havard-Universität noch einen Business-School-Abschluss gemacht habe. In meinem Alter mag das nicht selbstverständlich sein, für mich war das okay. Allerdings war ich überrascht, dass man mich noch aufgenommen hat.

Millennials hadern da schon mehr mit ihrem Alter

WELT: Wie kam es dazu?

Puck: In einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ fragte man mich, wovon ich träume. Woraufhin ich eher scherzhaft antwortete: „Nach Harvard zu gehen.“ Kurz darauf bekam ich von dort einen Anruf und wurde gefragt, wann ich anfangen möchte. Da konnte ich natürlich nicht nein sagen. Während des zweijährigen Studiums wurde mir wieder so richtig bewusst, dass man nie stehen bleiben darf. Egal in welchem Alter. Auch deshalb möchte ich noch ein Drei-Sterne-Restaurant etablieren. Wir werden einen eigenen Tequila herausbringen. Erst im Februar eröffneten wir ein neues italienisches Restaurant in Las Vegas – unser Fünftes. Es heißt Caramá, was so viel wie „Liebe Mama“ bedeutet. Meine 2004 verstorbene Mutter war ja Köchin, und ich wollte ihr schon immer ein Lokal widmen. Übrigens arbeite ich derzeit an einem richtigen Großprojekt.

WELT: Wollen Sie darüber reden?

Puck: Gern. Wir werden für etwa 100 Millionen Dollar auf dem schmalen Küstenstreifen zwischen Pacific Coast Highway und Malibu ein lang gezogenes Restaurant direkt am Meer bauen. Mein Freund Frank Gehry, der wohl berühmteste Architekt weltweit, hat es entworfen. Es wird eine neue Version des „Spago“ werden. Inzwischen ist Frank 95 Jahre alt, arbeitet noch jeden Tag viele Stunden. Er ist ein Phänomen und hat Aufträge für die nächsten hundert Jahre.

WELT: Wann öffnet Ihre neue Restauration?

Puck: Noch fehlen Genehmigungen, doch wir hoffen, alsbald mit dem Bauen zu beginnen. Ende 2025 soll alles fertig sein. Der Pachtvertrag läuft 50 Jahre, mit Option auf Verlängerung um 25 Jahre.

WELT: Glauben Sie an das ewige Leben?

Puck: Erst einmal nur an die nächsten 50 Jahre (lacht herzhaft). Es wird sich alles lohnen, zumindest für meine Kinder und unser Brand, der für Tradition und Innovation steht. Von dieser Philosophie ist auch unser Catering beim Governors Ball geprägt, das heißt, es gibt auch immer neue Gerichte. Wobei mich Barbra Streisand schon anrief und ermahnte: „Egal, was du zu den Oscars kochst, vergiss meinen Chicken Pot Pie nicht.“ Martin Scorsese bekommt auch wieder seine Nudeln mit Tomatensoße, Knoblauch und Basilikum. Wir machen alles möglich, ob vegan, vegetarisch, gluten- oder laktosefrei. Wobei die Gerichte erst am Sonntag, also tagfrisch, zubereitet werden. Für großes Aufsehen wird sicher ein Dessert sorgen.

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WELT: Inwiefern?

Puck: Meine „Spago“-Konditorin Sherry Yard hat einen österreichischen Schokoladenkuchen kreiert, der einer Treppe ähnelt, die zu einer riesigen essbaren Oscar-Skulptur führt, die so eisgekühlt ist, dass sie beim Betrachten durch die 3D-Brille, die dem Dessert beiliegt, deutlich hervorsticht. Es ist das erste Mal, dass wir in 3D essen. Warum auch nicht? Schließlich lieben wir ja Filme in 3D.

WELT: Haben Sie sich den oscarnominierten Film „Anatomie eines Falls“ mit Sandra Hüller angeschaut? Als erste Deutsche könnte sie nach fast 100 Jahren als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet werden.

Puck: Leider hatte ich dafür keine Zeit, ich drücke ihr aber fest die Daumen, dass sie gewinnt. Wer zu unserer Party kommt, erhält ganz sicher einen Oscar. Wir haben 5000 Schokoladen-Statuen in drei verschiedenen Größen herstellen lassen. Alle sind mit 24-karätigem essbarem Gold überzogen. Ich versichere ihnen, die schmecken echt lecker.

Zur Person:

Der mehrfach ausgezeichnete Gastronom lernte das Kochen von seiner Mutter. Geboren am 8. Juli 1949 in Sankt Veit in Kärnten verließ er mit 14 das Elternhaus, um als Lehrling in Frankreich und Monaco zu arbeiten. 1973 ging der Österreicher in die USA, wo er neun Jahre später in West-Hollywood mit dem Kult-Lokal „Spago“ das erste eigene Restaurant eröffnete. Sein heutiges Imperium besteht aus Fine-Dining- und Fast-Food-Restaurants (90 in 13 Ländern), Catering, dem Verkauf eigener Küchengeräte, Kochbücher sowie Lebensmittelprodukte. Die 5000 Beschäftigten erzielen einen Jahresumsatz von über 500 Millionen Dollar. Er ist in dritter Ehe mit einer Designerin aus Äthiopien verheiratet, hat vier Söhne, lebt in Holmby Hills.

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