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Meinung Scholz bei Xi

Die Lösungen für unsere Probleme mit China liegen auf dem Tisch

Olaf Scholz reiste im November 2022 erstmals als Kanzler nach Peking Olaf Scholz reiste im November 2022 erstmals als Kanzler nach Peking
Olaf Scholz reiste im November 2022 erstmals als Kanzler nach Peking
Quelle: dpa
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Peking tritt politisch und wirtschaftlich aggressiv auf, verstärkt die Abhängigkeit Deutschlands und zieht hier wertvolles Know-how ab. Aber wenn Kanzler Scholz am Wochenende nach China reist, kann er durchaus selbstbewusst auftreten und Forderungen stellen. Die Frage ist nur, ob er es tut.

Am Wochenende reist der Bundeskanzler mit einer Wirtschaftsdelegation nach Peking. Die Mitreise von solchen Delegationen ist grundsätzlich gut, keine Frage. Aber reicht das? Schließlich handelt es sich bei China um den mit Abstand komplexesten internationalen Gesprächs- und Handelspartner.

Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Forschungsinstitutionen scheinen nicht eingeladen zu sein. Also eine Delegation ganz nach dem Geschmack der chinesischen Gastgeber. Falls das so bleibt, wäre das ein verpasstes Signal für einen selbstbewussten Auftritt Deutschlands.

Zur Klarstellung: Nicht der Besuch als solcher ist fragwürdig, sondern die Art und Weise. Wir dürfen das autoritär geführte, staatskapitalistische China nicht überhöhen. Wir sollten uns stattdessen der Dualität von gewünschter Kooperation und stattfindender Systemkonkurrenz realpolitisch stellen, ohne eine Eskalationsspirale in Gang zu setzen. Und das können wir auch, denn China ist nicht der unangefochtene Klassenprimus, wie Xi Jinping behauptet, sondern muss seine eigenen Hausaufgaben machen.

Das chinesische Wachstum hat an Dynamik verloren, der nachlassende Bauboom hat die Wirtschaft erschüttert, die chinesischen Kommunen sind hoch verschuldet, das Problem hoher Jugendarbeitslosigkeit ist weiterhin ungelöst, der chinesische Aktienmarkt ist in der Vertrauenskrise. In einer Einparteienherrschaft wie China mit zunehmendem Personenkult hat dieser volkswirtschaftliche Trend auch eine sozioökonomische Dimension, denn das Aufstiegsversprechen der modernen Volksrepublik beginnt zu bröckeln.

Gerade deshalb verkaufen chinesische Staatsunternehmen ihre Produkte mit einer an Aggressivität grenzenden Härte und rechtlich fragwürdigen Praktiken auf dem europäischen und deutschen Markt. Ebenso werben sie um Direktinvestitionen deutscher Unternehmen – und kassieren deren wertvolles Know-how ein. Von einem Level-Playing-Field sind wir weit entfernt, denn Rechtssicherheit gilt für deutsche Unternehmen nur so lange, wie es der Kommunistischen Partei passt.

Wer unter diesen Umständen noch von „Wandel durch Handel“ spricht, hat nicht verstanden, dass der Handel mit China längst uns selbst verändert. Und nicht zum Positiven: Statt Diversifizierung zeigt eine neue IW-Studie fortbestehende kritische Abhängigkeiten.

Im Systemwettbewerb mit China

Dabei liegen die Lösungen für unsere Probleme auf dem Tisch. Chinas enormes Handelsinteresse eröffnet uns auch die Möglichkeit, Forderungen zu stellen, insbesondere, wenn wir als Europäer in einer transatlantischen Koalition auftreten. Die außenpolitische Geschlossenheit der USA und Kanadas, den Systemwettbewerb mit China zu gewinnen, sollten wir nutzen, um transatlantisch gemeinsam zu diversifizieren, Allianzen mit demokratischen Mittelmächten auszubauen und Standards zu setzen, etwa in der Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, der Künstlichen Intelligenz.

Auch den chinesischen Infrastrukturprojekten, die viele Länder Afrikas, aber auch zum Beispiel Serbien von Chinas Gnaden abhängig machen, müssen wir etwas entgegensetzen. Die erfolgreiche Umsetzung des EU Global Gateway Programms und eine gezielte Entwicklungspolitik sind dafür ein Muss.

Gleichzeitig darf De-Risking kein Lippenbekenntnis bleiben. Zahllose Mittelständler haben das längst erkannt und agieren mit Blick auf China umsichtig und vorausschauend. Sie sind sich der Gefahr hoher Abhängigkeiten bewusst. Das Kanzleramt muss auch den großen Konzernen realistische Signale senden: Wer in China Geschäfte macht, kann zwar gutes Geld verdienen, aber er muss auch die Risiken tragen, die diese Geschäfte mit sich bringen, und darf bei Verlusten oder Sanktionen nicht auf einen Fallschirm aus Steuergeldern hoffen.

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Dabei sollten wir keine Eskalation in den Wirtschaftsbeziehungen mit China zulassen, wie es in einem Szenario Trump 2.0 passieren könnte. Stattdessen sollten wir sachlich und mit Nachdruck unsere Kritik anbringen: an unfairem Wettbewerb seitens China, aber auch an der Unterstützung für Putins Rüstungsnachschub, am aggressiven Auftreten gegenüber Taiwan und im Südchinesischen Meer sowie an Xi Jinpings Ablehnung der universellen Menschenrechte.

Die Unterdrückung der Tibeter, die Terrorisierung von Oppositionellen wie in Hongkong, die massenhafte Internierung von Uiguren und die engmaschige Kontrolle der Chinesen durch ein „Social Credit System“ müssen klar angesprochen werden, und es muss sichergestellt werden, dass deutsche Unternehmen nicht dazu beitragen.

In Verteidigung des Völkerrechts wiederholt Scholz noch immer, dass China nach seinem letzten Besuch Putin aufgefordert habe, im Angriffskrieg gegen die Ukraine keine Atomwaffen einzusetzen. Geht da nicht doch noch mehr, wenn China angeblich globale Verantwortung übernehmen will? Und welches Signal soll von der neuen Reise ausgehen? Es bleibt zu befürchten, dass diese China-Reise hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt, wenig deutsches Selbstbewusstsein ausstrahlt und keine Konsequenz vermittelt.

Michael Link ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Deutschen Bundestag und für internationale Angelegenheiten zuständig.

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